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Reisekolumne | Fliegen: Glücksrausch oder Flugangst?

Von
7. Oktober 2016

Früher hatte ich Flugangst. Ich meine so richtig. Schon beim kleinsten Ruckeln spielten sich filmreife Horrorszenarien in meiner Gedankenwelt ab, die unausweichlich in einem tragischen Tod endeten. Alleine die Vorstellung, den Boden unter den Füßen zu verlieren und mein Leben in die Hand eines Piloten zu legen, ließ mir als Kind einen Schauer über den Rücken laufen.

Heute ist das anders. Ich würde sogar behaupten, dass mich ein Schwall von Glücksgefühlen überflutet, sobald die Turbinen angeschmissen werden, das Flugzeug mit Vollspeed über die Startbahn rauscht, abhebt und mein Körper mit voller Wucht in den Sitz gepresst wird.

Flugangst Fliegen Flugzeug

Über den Wolken

Steil schießt die Maschine Richtung Himmel, immer weiter nach oben, bis dass sie die dichte Wolkendecke durchbricht. Es poltert und wackelt. Heute macht mir das zum Glück nichts mehr aus, denn Euphorie und Vorfreude auf das, was kommt, übertrumpfen meine Angst vor dem Fliegen.

Außerdem versteckt sich über den Wolken meistens die Sonne und ich habe das Gefühl ihr entgegen zu fliegen. Ihr Licht ist oft so hell, dass es blendet und die meisten Passagiere ihre Fensterklappen runterziehen, um ungestört auf den kleinen Bildschirm zu starren, der in der Rückenlehne ihres Vordersitzes eingebaut ist. Sie schauen Actionfilme, während sich da draußen vor ihren Plastikfenstern ein viel besserer Film abspielt.

Flugangst Fliegen Flugzeug

Ich hingegen starre in die endlose Wolkenlandschaft, die mir so einzigartig, so außergewöhnlich und so faszinierend erscheint, dass ich mich nie an ihr sattsehen kann. Wolkengebilde ziehen in ihren unterschiedlichsten Formen vorbei. Manchmal weiß und zart wie Zuckerwatte, manchmal grau und schwer wie Zement und manchmal auch dramatisch, ja fast schon bedrohlich.

Wenn ich das große Glücke habe, einen Sonnenauf- oder Untergang in der Luft zu erleben, das ist dann wohl die Königsdisziplin meiner Fliegerliebe, denn dann verliere ich mich endgültig in dem Schauspiel, das die Natur da draußen veranstaltet.

Flugangst Fliegen Flugzeug

16 Mal bin ich alleine im letzten Jahr geflogen. Beruflich und privat bin ich ständig unterwegs. Kein Wunder, dass ich mich mittlerweile sogar daran gewöhnt habe, im Flugzeug zu arbeiten.

Sobald ich in Bewegung bin und die Welt an meinem Fenster vorbeizieht, sprudeln die Gedanken nur so aus meinem Kopf heraus und möchten festgehalten und aufgeschrieben werden. Viele meiner Blogartikel sind über den Wolken entstanden. So auch der Text, den du gerade liest.

Die Welt von oben betrachten

Je nach Flughöhe und Wetterverhältnissen, sind es nicht die Wolken, sondern die Erde, die ich betrachte. Dunkelblaue Flüsse, die sich durch die Landschaft winden, Straßen, Felder, Städte und das Meer. Von hier oben wirkt die Erde so lächerlich klein, die Probleme so unglaublich unbedeutend.

Hier oben fühle ich mich sicher. Meistens zumindest.

Flugangst Fliegen Flugzeug

Da ist sie wieder: Die FLUGANGST!!!

Plötzlich leuchten die Anschnallzeichen mit diesem bescheuerten Signalton auf und der Pilot faselt irgendetwas Unverständliches von “Bordservice einstellen” und von Turbulenzen. Allein schon dieses Wort TURBULENZEN!! Augenblicklich beginnt mein Herz wie wild zu rasen und ich erleide einen Rückfall meiner überwunden geglaubten Flugangst.

Die Maschine ruckelt wie eine schrammelige Playmobilkiste, meine Hände schwitzen und ich male mir die schlimmsten Szenarien aus. Jetzt werde ich sterben!

Panisch beobachte ich das Kabinenpersonal, die anderen Passagiere, mich selbst. Ich versuche mir Mut zu machen: Turbulenzen sind lediglich Unregelmäßigkeiten im Luftwiderstand und die kann eine Boeing 747 ohne Probleme ausgleichen, so mein Mantra.

Scheiß auf das Mantra, ich habe trotzdem Angst!

Flugangst Fliegen Flugzeug

Zu allem Überfluss beginnt das Baby in der Sitzreihe vor mir fürchterlich zu schreien. Oh mein Gott, das wars. Kleinkinder können schließlich nahende Katastrophen spüren, genau wie Tiere! Ganz bestimmt.

Die letzten Sekunden meines Lebens spielen sich wie ein Film vor meinem geistigen Auge ab. Wird es schnell gehen? Werde ich den Aufprall spüren? Ich will noch nicht sterben! Warum zur Hölle bin ich bloß in diese Maschine gestiegen? Warum bin ich nicht einfach zu Hause geblieben?

Immer diese scheiß Reisen! Ich will hier raus!

Flugangst Fliegen Flugzeug

„Anything to drink Maaaaam?“ Mit klimpernden Wimpern und einem aufgesetzten Lächeln holt mich die Stewardess in die Realität zurück. Alles ist gut. Ich lebe noch.

„Orangensaft und Wasser bitte.“ Ich grinse zurück, als wäre nichts gewesen.

Puh, da bin ich wohl gerade noch mal dem Tod von der Schippe gesprungen. Bevor ich mich wieder zurücklehnen und entspannen kann, wird mir in 11.000 Kilometern Höhe ein Gummicroissant-Pappbrötchen-Chemiejoghurt-Frühstück mit Plastikobst und lauwarmem Filterkaffee serviert, der nach alten Schuhsohlen schmeckt. Wenn doch nur das Essen hier oben im Himmel besser wäre!

„Cabin crew prepare for landing“ ertönt es schon wenig später durch die Lautsprecher über meinem Kopf. Langsam verliert das Flugzeug an Höhe. Mit einem Gepolter durchbrechen wir die wie Mozzarella-Bällchen aussehende Wolkendecke und die Ausläufe der Stadt kommen zum Vorschein.

Flugangst Fliegen Flugzeug

Da taucht auch schon die Landebahn auf. Ende der Vorstellung. Unsanft knallt die Maschine auf den Boden. Willkommen zurück auf der Erde!

Obwohl ich das Fliegen mittlerweile liebe, schwebe ich (fast) jedes Mal zwischen einem Glücksrausch und panischer Flugangst und bin doch immer wieder heilfroh, wenn ich festen Boden unter den Füßen habe und echte Luft atmen kann.

Wie ergeht es dir beim Fliegen? Liebst du das Gefühl über den Wolken zu sein oder hast du Flugangst? Hast du eventuell sogar Tipps, um Flugangst zu überwinden?

Ich bin sehr gespannt auf deinen Kommentar!

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15 Kommentare
  1. Saskia

    7. Oktober 2016

    Sehr gut, dass ich nicht die Einzige bin, der es so zu gehen scheint… Mittlerweile gibt es viele Momente, in denen ich das Fliegen sehr genießen kann, aber wehe eine Gewitter zieht auf: Dann ist es mit meiner Gelassenheit dahin und die Armlehne bekommt all meine Angst zu spüren. Viele Grüße, Saskia

    • Julia

      14. Oktober 2016

      Hi Saskia,
      ich schätze, die Armlehnen in Flugzeugen müssen so einiges aushalten :)
      Bei meinem letzten Flug hat sich meine Sitznachbarin bei Turbulenzen
      plötzlich so feste in meinen Arm gekrallt, dass ich dachte, die bringt
      mich gleich um.
      Liebste Grüße vom Flughafen in Costa Rica. Werde gleich boarden!
      Julia

  2. Step

    7. Oktober 2016

    Naja, als Flugbegleiter hab ich zum Glück keine Flugangst – das wäre eine schlechte Voraussetzung für diesen Job :-) Turbulenzen empfinde ich höchstens als lästig beim Arbeiten, wenn ich gerade mitten in der Kabine stehe mit aufgebautem Trolley. Und sich Passagiere trotz wiederholten Aufforderungen nicht davon abbringen lassen, genau in dem Moment unbedingt auf die Toilette zu müssen statt sich anzuschnallen – da fehlt mir jedes Verständnis über so viel Unvernunft.

    Ansonsten – Tipps gegen Flugangst gibt es nicht zu wirklich, es reagieren viele Menschen unterschiedlich drauf. Das Dümmste ist es mM nach, zu beginnen, sich dagegen mit Alkohol zuzuschütten, das hilft meist wenig und verkehrt sich oft ins Gegenteil……Passagiere, die uns von selbst ansprechen, dass sie Angst haben, um die bemühen wir uns wenn möglich gerne, bieten ihnen evtl eine freie Sitzreihe an, unterhalten uns mit ihnen, oft dient es schon zur Beruhigung, dass sie sehen, dass wir ganz normale Menschen sind die das täglich machen. Aber wie gesagt, ein Universalrezept gibt es nicht……

    Übrigens – als Passagier zu fliegen finde ich meistens langweilig und bin froh, wenn ich am Ziel bin……

    • Julia

      14. Oktober 2016

      Hallo Step,
      Flugangst als Flugbegleiter, das wäre wirklich eine schlechte Voraussetzung ;)
      Vielen Dank für deine Sicht der Dinge. “Hinter den Kulissen” erlebt man das
      Fliegen wahrscheinlich noch mal ganz anders. Ich glaube, ich würde ausflippen,
      wenn die Passagiere sich bei Turbulenzen nicht anschnallen und ewige Diskussionen
      anfangen. Ich kenne ein ähnliches Drama von meinem Job auf dem Kreuzfahrtschiff.
      Alles Liebe und weiterhin gutes Fliegen!
      Julia

  3. Bolle

    7. Oktober 2016

    Du sprichst mir aus der Seele..genau so geht es mir auch immer. Eigentlich ist alles cool aber wie du schon sagtest..nur das Wort Turbulenzen reicht schon aus und zack..panik..herzrasen..beten :D aber sobald der Pilot sagt wir landen gleich, fällt ein Stein von meinem Herzen…und Boden unten den Füßen zu haben ist dann das beste Gefühl..und am ende denke ich mir…ach so schlimm War es doch wieder gar nicht.. :)

    • Julia

      14. Oktober 2016

      Liebste Bolle,
      vielen Dank für deine Worte. Ich fühle mit dir :)
      Sitze gerade am Gate und boarde gleich meinen nächsten Flug.
      Freue mich schon sehr aufs Abheben und wünsche mir dieses Mal
      bitte KEINE Turbulenzen ;)
      Alles Liebe aus Costa Rica,
      Julia

  4. Antje

    8. Oktober 2016

    Ich kann beim Fliegen mein Handy/Kamera immer gar nicht aus der Hand legen, weil ich immer das Gefühl hab, die nächste Wolke sieht noch toller aus die vorherige :D
    Wenn ich mit Freunden fliege, versuchen wir häufig zu erraten, welcher Ort/Stadt/Fluss/Berg das gerade ist, den wir aus dem Fenster sehen. ;)

    • Julia

      14. Oktober 2016

      Hallo Antje,
      dass mit der Kamera kommt mir sehr bekannt vor :)
      Ich bestehe auch immer auf meinen Fensterplatz, um rauszuschauen und
      tausende von Fotos von den Wolken schießen zu können. Heute hat es leider
      nicht geklappt. Ich sitze an meinem Gate in San José und auf meinem
      Boardingpass steht: GANGPLATZ!
      Alles Liebe aus Costa Rica,
      Julia

  5. Anna

    10. Oktober 2016

    Das erinnert mich gerade so sehr an meinen Exfreund. Er fand es so toll über den Wolken – bis das Wort “Landeanflug” kam. Sofort käseweiß und die Finger in den Sitz geklammert. Danach war uns dann klar: wir können von meinen Lieblinszielen nur noch nach Defereggental St. Jakob, weil man für alles andere ein Flugzeug besteigen muss. Nja, vielleicht gar nicht so verkehrt, dass es nicht gehalten hat…

    • Julia

      14. Oktober 2016

      Hallo Anna,
      hat dein Exfreund sich also nicht mehr überreden lassen jemals
      wieder in ein Flugzeug zu steigen? ;) Ich wollte als Kind auch
      nie fliegen, weil ich Angst hatte. Mittlerweile liebe ich es
      (außer bei TURBULENZEN)!
      Viele Grüße aus Costa Rica, Julia

  6. Vanessa

    22. November 2016

    Hallo,

    da habe ich mich gerade wieder erkannt! ;) Ich liebe zwar das Reisen, jedoch gehört das Fliegen nicht zu meiner Leidenschaft …wenn ich aber dann wieder aus dem Flugzeug die tollen Landschaften sehe und mein Ziel erreicht habe, nehme ich die Strapazen immer wieder gerne in Kauf. Liebe Grüße Vanessa

    • Julia

      22. November 2016

      Hallo Vanessa,
      das kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich liebe das Fliegen und steige
      auch immer wieder gerne in eine Maschine ein, solange es keine
      unnötigen Turbulenzen gibt :)
      Liebe Grüße und weiterhin frohes Reisen,
      Julia

  7. Ruperta

    31. Juli 2017

    Liebe Julia,

    beim Lesen deines Beitrages musste ich schmunzeln, da es bei mir fast genauso ist. Man kann sogar von einer Hassliebe sprechen, wenn es ums Fliegen geht. Gäbe es eine andere Möglichkeit schnell von A nach B zu reisen, würde ich diese bevorzugen. Anderseits sind die Aussichten hoch über den Wolken einfach atemberaubend und einzigartig. ;)

    Alles Liebe
    Ruperta

  8. Linda

    15. Dezember 2017

    Wow! Finde den Artikel sehr sehr gut geschrieben. Man wird in das Geschehen mit geworfen und kann deine Empfindungen und Gefühle super nachvollziehen. Ich selbst gebe auch seit mehreren Jahren Seminar gegen die Flugangst und finde es immer spannend andere Artikel von Menschen mit Flugangst zu lesen :)

    Weiter so Julia :)

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