Bernina Express: Von den Gletschern der Schweiz zu den Palmen Italiens
Wie ein leuchtend rotes Band schlängelt sich der Bernina Express durch Graubünden, den größten Kanton der Schweiz. Über spektakuläre Brücken und Viadukte, durch saftig grüne Täler und winzige Bergdörfer, vorbei an beeindruckenden Felswänden und türkisfarbenen Seen, führt uns diese Reise vom ewigen Eis der Gletscher bis hin zu den Palmen Italiens und wieder zurück.
Von kühler Alpenschönheit fahren wir ins sonnenverwöhnte Tirano, wo Schweizer Eisenbahnromantik auf ein mediterranes Lebensgefühl trifft. Dies ist wohl die schönste Überquerung der Alpen.
In diesem Beitrag stelle ich dir die Highlights unserer Reise mit dem Bernina Express vor. Hier kannst du gleich zu den einzelnen Stopps springen:
Table of Contents
Bergdorf Bergün
Unsere Reise durch Graubünden beginnt im idyllischen Bergdorf Bergün, am Fuße des Albulapasses. Hier checken wir im Kurhaus Bergün ein. Das Hotel ist eine gut erhaltene Jugendstilperle, die uns mit einer riesigen Portion historischem Charme empfängt.
Der Asphalt dampft, als wir nach einem heftigen Regenschauer durch die Straßen des 500-Seelen-Örtchens spazieren und uns die prächtigen Engadiner Häuser mit ihren Fassadenmalereien ansehen, die sich im Dorfkern aneinanderreihen.
Fasziniert beobachte ich, wie das Regenwasser unter der einsetzenden Wärme verdunstet. Weißgraue Nebelschwaden steigen empor. Sie umhüllen Bergün und schweben über den dunkelgrünen Tannenwäldern, um sich im nächsten Augenblick im Sonnenlicht aufzulösen.
Landwasserviadukt
Am nächsten Morgen unternehmen wir einen Ausflug zum weltberühmten Landwasserviadukt, dem Wahrzeichen der Albulalinie. Im Bernina Express fahren wir zum winzigen Bahnhof Filisur. Ein schmaler Waldweg führt uns von dort über weichen Waldboden zum Aussichtspunkt Süd.
Im Schneckentempo rattert der Zug über das 142 Meter lange Viadukt, das sich über dem wilden Landwassertal erhebt. 65 Meter über dem Talboden scheint die Bahn zu schweben, bevor sie in einer senkrecht abfallenden Felswand verschwindet und in den 200 Meter langen Landwassertunnel einfährt. Zahlreiche Leute sind zur Plattform gekommen, um dieses Spektakel zu bestaunen.
Alp Grüm
Für uns geht es weiter durch die Berge Richtung Süden. Am gigantischen Morteratsch Gletscher vorbei, schraubt sich der Zug den Berninapass bis zur höchstgelegenen Bahnstation auf 2.253 Metern hinauf. Schon bald eröffnet sich der Blick auf das Tal Valposchiavo.
Eine der schönsten Aussichten auf dieser Strecke, haben wir von Alp Grüm. Wir lernen Primo Semadeni kennen, der die Gastronomie auf der Alp Grüm seit elf Jahren betreibt. „Heute Morgen gab es Probleme bei der Bahn. Meine Mitarbeiter kamen drei Stunden zu spät zur Arbeit“, erzählt der Pächter schmunzelnd. Solche Situationen gehören zum Alltag, denn Alp Grüm erreicht man ausschließlich per Zug oder zu Fuß. „Auch Lebensmittel müssen per Bahn hierher transportiert werden“, erzählt Primo Semadeni.
Er zeigt uns die modern eingerichteten Zimmer mit Blick auf die einmalige Berglandschaft und den Palügletscher, der heute leider von einer weißen Nebelwand verdeckt wird. Anschließend essen wir köstliche Pizzoccheri, ein traditionelles Buchweizenmehlgericht, das sich in Graubünden großer Beliebtheit erfreut.
Gletschergarten Cavaglia
Frisch gestärkt treten wir die Weiterfahrt an. In engen, teilweise überdachten Kurven und Kehren schlängelt sich der Bernina Express mit einem Gefälle von bis zu 70 Prozent hinunter ins Tal Valposchiavo, das zur italienischsprachigen Schweiz gehört. Am Bahnhof von Cavaglia legen wir einen kurzen Zwischenstop ein.
„In eine Gletschermühle hineinzuschauen ist wie in der Vergangenheit der Erde herumzustöbern,“ schwärmt der 66-jährige Wanderleiter Romeo Lardi, der uns durch den nahegelegenen Gletschergarten von Cavaglia führt und uns auf eindrückliche Weise näher bringt, wie die „Töpfe der Riesen“ vor Millionen von Jahren entstanden sind.
Wir stehen am Rand einer solchen Mühle und blicken in das fein geschliffene Loch hinunter. „Während der Eiszeit vor etwa 11.000 Jahren entstand hier eine Gletschermulde. Wasser, Sand und Geröll gruben gewaltige Löcher in die Felsen und ließen eine faszinierende Landschaft zurück,“ erzählt Romeo Lardi, der Mitte der 90er Jahre maßgeblich dazu beigetragen hat, dass der Gletschergarten freigelegt wurde und heutzutage für jedermann zugänglich ist.
Poschiavo
In Poschiavo, dem Hauptort des Valposchiavo Tals, wohnen wir im BioBistro Semadeni, das auf der wunderschönen Piazza Comunale, gleich neben dem altehrwürdigen Palazzo Albrici erstrahlt. Als wir durch den historischen Ortskern schlendern und die Casa Tomé, eines der ältesten Bauernhäuser im Alpenraum, besuchen, fühle ich mich ins Mittelalter zurückversetzt.
Seitdem die letzten Bewohner das Haus verlassen haben, scheint die Zeit hier stillzustehen. Noch immer hängen die Kleider fein säuberlich im Schrank, das Bett ist frisch bezogen, Werkzeuge liegen herum und die Küche ist vom Rauch des Brotofens geschwärzt. Alles befindet sich im Originalzustand.
Prächtig und glanzvoll erscheinen dagegen die hübschen Patrizierhäuser, die das Wohnquartier Via dei Palazzi schmücken. Es sind die Häuser derjenigen, die während der Krise nach Spanien, England oder ins russische St. Petersburg auswanderten, um ihr Glück in der Fremde zu suchen. Als Zuckerbäcker oder Hotelier wurden sie reich, kehrten später in ihr geliebtes Valposchiavo zurück und investierten ihr Geld in der Heimat. Heute verleihen die pastellfarbenen Häuser mit ihren üppigen Vorgärten dem Ort einen herrschaftlich urbanen Charme.
Alpe San Romerio
Wir verlassen die Bahnstrecke und fahren im Postauto über eine steile Serpentinenstraße in die Berge. Die letzten 30 Minuten des Weges legen wir zu Fuß zurück. Oben angekommen, erblicken wir das kleine Kirchlein San Romerio, das in 1.793 Metern Höhe auf einem Felsvorsprung über dem Tal thront und schon im Jahre 1055 als heilige Pilgerstätte genutzt wurde.
Gleich neben dem Kirchlein befindet sich die Berghütte Alpe San Romerio, die überwiegend natürliche Energiequellen nutzt und neben warmen Speisen für Wanderer auch urige Übernachtungsmöglichkeiten für Ruhesuchende bietet. Buongiorno Einfachheit, so lautet das Motto, das Gino Bongulielmi seinen Gästen näherbringen möchte.
„Meine Vision ist es, Mensch und Natur wieder in Einklang zu bringen,“ erzählt der dunkelhaarige Mann mit seiner sanften Stimme, der viele Stunden seiner Lebenszeit investiert hat, um San Romerio zu dem Ort zu machen, der er heute ist. „Fernab von der hektischen Welt haben wir hier oben ein kleines Paradies geschaffen, einen Ruckzugsort in der Natur, und jeder ist herzlich willkommen,“ erzählt Gino mit strahlenden Augen.
In dieser Nacht schlafe ich wie ein Baby. Ob es an der frischen Bergluft oder an der unglaublichen Magie liegt, die dieser Ort ausstrahlt, kann ich nicht sagen. Jedenfalls klingelt um kurz nach fünf Uhr der Wecker, um pünktlich zum Sonnenaufgang zum Aussichtspunkt oberhalb der Alpe zu wandern.
Leider versteckt sich das Tal schon seit Tagen unter einer grauen Nebelsuppe und der Dauerregen möchte einfach nicht aufhören. Als wir den Aussichtspunkt erreichen, reißt die Wolkendecke ein wenig auf und der blaue Himmel kommt in Fetzen zum Vorschein. Begeistert blicken wir auf die Berge, deren schneebedeckte Spitzen von der Sonne angestrahlt werden.
Auch das winzige Kirchlein San Romerio ist von hier oben zu sehen. Nur wenige Sekunden später schiebt sich wieder eine dichte Nebelschwade vor unser Sichtfeld und legt eine mystische Stimmung über den frühen Morgen.
Biohof in Le Prese
Zurück im Tal, besuchen wir Claudia Lazzarini, die inmitten orangefarbener Ringelblumen, duftender Zitronenmelisse, Holundersträuchern und Lavendel lebt und einen wunderbaren Biohof in Le Prese betreibt. Während sie uns über die bunten Felder führt und uns von der traditionellen Produktion der Blüten und Kräuter erzählt, reibt sie ein marrokanisches Minzblatt zwischen den Fingern und lässt uns den betörenden Geruch mit der Nase aufsaugen.
„Etwa zwei Tonnen Kräuter für hochwertige Bio-Teemischungen produzieren wir pro Jahr,“ erklärt die Landwirtin, die größten Wert auf die Qualität ihrer Produkte legt. Obwohl Claudia Lazzarini auch Kunden in New York und Barcelona beliefert, werden ihre Kräuter hauptsächlich an die regionale Gastronomie verkauft.
Tirano
Im Bernina Express geht es nun weiter über die Grenze nach bella Italia und als wolle sich das Land von seiner schönsten Seite zeigen, verzieht sich der Dauernebel plötzlich wie von Zauberhand und die Sonne schickt ihre wärmenden Strahlen vom Himmel. Bei 26 Grad laufen wir im Tshirt durch die Altstadt Tiranos.
Hübsche Kirchtürme, alte Häuser mit den für Italien so typisch verranzten Fassaden, dem bröckelnden Putz, den Düften und Farben, lassen uns einen Hauch von mediterranem Charme spüren. Spätestens als wir auf der Piazza sitzen, vereinzelte Palmen auf den Balkonen erblicken und Gelati schlecken, stellt sich das italienische Lebensgefühl ein.
Rückfahrt
Als eines der vielen Highlights unserer Reise geht es im Bernina Express in einem Stück zurück in die Schweiz. Im Panoramawagen lassen wir die Route der vergangenen Tage noch einmal Revue passieren. Über das Kreisviadukt bei Brusio und am türkisfarbenen Lago di Poschiavo vorbei, geht es über die Alpen zurück in den Norden.
Durch Schluchten und Täler schlängelt sich der rote Zug durch Graubünden. Wasserfälle stürzen sich an den dunkelgrünen Berghängen in die Tiefe. Am Wegesrand blühen pinke Almblumen. Nebelwolken ziehen wie schwebende Teppiche an der Baumgrenze entlang und wechseln sich mit der Sonne ab.
Kurz hinter dem Bahnhof Ospizio, dem höchsten Punkt der Strecke, beginnt die Talfahrt ins Engadin. Der Piz Bernina, der höchste Berg des Kantons Graubünden und Namensgeber des Bernina Expresses, zieht an uns vorbei. Gespannt kleben wir mit den Gesichtern an den überdimensionalen Fenstern, als wir ein zweites Mal über das Landwasserviadukt rattern. Ein Meisterwerk der Ingenierskunst! Logisch, dass diese spektakuläre Bahnstrecke zum UNESCO Welterbe erklärt wurde.
Chur
Am Abend erreichen wir die Alpenstadt Chur, die mit einer Siedlungsgeschichte von über 5.000 Jahren als älteste Stadt der Schweiz gilt. Wir checken im traditionsreichen Romantik Hotel Stern ein, wo wir einmal mehr in den Genuss vegetarischer Köstlichkeiten kommen. Die Bündner Triologie aus Maluns, Pizzoccheri Neri und Capuns Sursilvans wäre der perfekte Abschluss unserer Reise durch Graubünden, doch das Abenteuer wäre nicht vollendet, wenn wir die charmante Hauptstadt so einfach auslassen würden.
Während eines gemütlichen Bummels durch die autofreie Innenstadt entdecken wir verwinkelte, mit Kopfstein gepflasterte Gassen, Häuser und mittelalterliche Plätze. Über der Altstadt thront der Bischöfliche Hof mit seiner Kathedrale aus dem 12. Jahrhundert. Mein Tipp: Um einen Überblick zu erhalten, kann ich dir eine zweistündige geführte Stadtführung mit einheimischem Guide empfehlen.
Hausberg Brambüesch
Am letzten Tag unserer Reise nehmen wir die Bahn zu Churs Hausberg Brambüesch, die von der Stadt aus direkt zum Hochplateau fährt. Hier erwarten uns wunderschöne Wanderwege und herrliche Bergsommerwiesen, auf denen gelbe, pinke und weiße Blumen blühen. Auf den Berggipfeln in der Ferne liegt frisch gefallener Schnee wie Puderzucker.
Als wolle sie uns überreden, noch eine Weile in Graubünden zu bleiben, strahlt die Sonne von einem babyblauen Himmel auf uns herab. Wir genießen ihre Wärme und schnuppern eine letzte Brise Alpenluft bevor es nach Hause geht.
Mit diesen wunderschönen Aussichten endet unsere Reise mit dem Bernina Express, die uns durch wilde, ursprüngliche Natur, einsame Dörfer und atemberaubende Berglandschaften von den Gletschern der Schweiz bis zu den Palmen Italiens und wieder zurück geführt hat. Diese Reise hinterlässt einen bleibenden Eindruck in unseren Herzen und eines steht fest: Dies war nicht mein letzter Trip in die wunderschöne Schweiz!
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Hannes
Wow! Das Landwasserviadukt sieht ja wirklich unglaublich beeindruckend aus. Da bekommt man selber gleich richtig Lust auf einen schweizer Abstecher! :-) tolle Eindrücke und Bilder, die du hier mit uns teilst…
Julia
Vielen lieben Dank für dein tolles Feedback :)
Christian
Der Bernina Express ist eine Reise Wert. Toll, dass ihr in Alp Grüm übernachten konntet. Bei meiner Reise im Spätherbst war das Haus schon geschlossen. Und ich habe etwas neues dazu gelernt: Gletschermühlen kannte ich vorher nicht. Aber während welcher Krise sind die Menschen aus Tirano z.B. nach St. Petersburg ausgewandert?
Julia
Hallo,
vielen Dank für deinen Kommentar! Wir haben nicht in Alp Grüm übernachtet, sondern nur eine Mittagspause eingelegt und die tolle Sicht von dort oben genossen. Die Gletschermühlen sind wirklich sehr beeindruckend. Eine Führung durch den Garten kann ich dir sehr ans Herz legen! Im 18. Jahrhundert gab es eine riesige Auswanderungswelle in Graubünden. Besonders im Tal Valposchiavo flüchteten die Menschen in andere Ländern, um dort ihr Glück zu suchen und wurden als Zuckerbäcker im Ausland reich.
Nicole
Hey Julia,
ich war gerade erst in Graubünden und habe mich total in die Landschaft verliebt. Mit dem Bernina Express war ich allerdings nicht unterwegs, das steht weiterhin auf meiner List. Zurecht, wie sich nach dem Lesen deines Artikels herausgestellt hat;) Das ist schon wirklich eine ganz besondere Tour. Ich war dieses mal auf der Alp Flix und in Bivio unterwegs. Zum Reiten, Wandern und zum Survival Training. Das war echt sportlich-abenteuerlich und ebenso eine Reise, an die ich noch lange denken werde. Vielleicht ist das ja was, für deine nächste Graubünden Reise, wer da einmal war, will doch wiederkommen:)
Liebe Grüße
Nicole
Julia
Liebe Nicole,
Survival Training hört sich super an. Das wollte ich immer mal in Österreich machen und habe es bisher zeitlich leider nie geschafft.
Viele Grüße, Julia