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Heimkehren: Wie das Reisen mein Heimatgefühl veränderte 

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Wie fühlt sich Heimkehren nach einer langen Reise an? Ich erinnere mich noch daran, als sei es gestern gewesen: Mit hibbeligen Beinen saß ich im Flugzeug, starrte wie benommen aus dem Fenster und rutschte unruhig auf meinem Platz hin und her. Mein Bauch kribbelte. Meine schweißnassen Handflächen rieb ich immer wieder über die Knie.

Sieben Monate war ich in Asien unterwegs gewesen, hatte mich in die Freiheit verliebt, jeden Tag so zu leben, wie es mir gefiel und mich an die Leichtigkeit des Reisens gewöhnt. Ich hatte unglaublich tolle Menschen kennengelernt, meine Sichtweisen verändert, meinen eigenen Horizont erweitert und nicht zuletzt war ich den traumhaften Sonnenuntergängen verfallen.

Höhenflug und Glückshormone

Doch so sehr ich Asien liebte, so sehr freute ich mich auf das Heimkehren nach einer langen Reise. Ich freute mich nicht nur auf meine Herzmenschen, die zu Hause auf mich warteten, sondern auch auf mein kuschelweiches Bett, in dessen Laken sich keine Bettwanzen versteckten, auf frisch gewaschene Kleidung, die wirklich sauber und nicht nur mit Duftstoffen eingesprüht wurde.

Ich freute mich auf die schier unendliche Joghurtauswahl im Supermarkt, auf deutsches Körnerbrot und geilen Kaffee zum Frühstück, auf Trinkwasser, das einfach so aus der Leitung sprudelte, auf Fahrradfahren ohne mein Leben dabei zu riskieren und darauf, endlich wieder im kühlen Wald zu joggen.

Nach sieben Monaten in stickiger Hitze und hoher Luftfeuchte, konnte ich es kaum erwarten, endlich wieder frische Luft einzuatmen und meine Lungen mit neuer Lebensenergie zu füllen. Ich freute mich auf das Grün der Laubbäume und auf den weichen Waldboden. In Gedanken lief ich schon über die saftigen Wiesen, die gleich hinter unserem Haus beginnen und kühlte meine überhitzen Füße in dem kleinen Bach, in dem ich als Kind gespielt hatte.

Schon Wochen vor meiner Rückkehr hatte ich begonnen, in Gedanken eine Liste mit den Speisen zu erstellen, die ich zu Hause unbedingt als Erstes essen wollte: Salat mit Feta, Spaghetti mit Zucchini und tonnenweise Käsebrote, denn Käse hatte ich in Asien ganz besonders vermisst.

Als das Flugzeug endlich in Frankfurt aufsetze und ich kurze Zeit später wieder deutschen Boden unter meinen Füße hatte, lief mir ein eiskalter Schauer über den Rücken. Meine Gliedmaßen wurden schockgefroren und meine Vorfreude damit ebenfalls. Zumindest fürs Erste.

Hungrig, müde, aber überglücklich lag ich meinen Eltern in den Armen. Meine Glückshormone sprudelten über. Euphorisch rannte ich in jedes Zimmer in unserem Haus, schmiss mich auf mein frisch bezogenes Bett und schaufelte haufenweise gutes Essen in mich hinein, das zum ersten Mal nach sieben Monaten, nicht aus Reis und Curry bestand.

Eigenkulturschock: Fremd in der Heimat

Meinem Höhenflug folgte eine Bruchlandung, denn so glücklich ich auch war, wieder zu Hause zu sein, so schnell holte mich die knallharte Realität ein. Mit Erschrecken stelle ich fest, was mir an meinem Heimatland so ganz und gar nicht gefiel. In der Bahn stand niemand für die zierliche, alte Dame auf, die sich an ihren Einkaufskorb klammerte, auf den Straßen grüßte sich niemand, nicht mal ein flüchtiges Lächeln wurde unter Fremden ausgetauscht.

Klar hatte ich auch in Asien schlechte Tage erlebt, hatte mich Herausforderungen stellen müssen und bin so manches Mal daran verzweifelt, doch in meinen Erinnerungen überwogen die rosaroten Glücksmomente. Ich dachte an all die Abenteuer, die ich erlebt hatte, an die Landschaften, deren Schönheit mich fesselte und an die tollen Menschen, die ich unterwegs getroffen hatte.

In Deutschland war dagegen alles grau und damit meine ich nicht nur das Wetter, sondern auch die Stimmung. Ich schien einfach nicht mehr in diese Welt hineinzupassen, fühlte mich fremd und unverstanden. Die Tage verstrichen und mein Fernweh stieg ins Unermessliche.

Die Post-Reise-Depression

Heutzutage weiß ich, dass ich damals, beim Heimkehren nach einer langen Reise, der typischen Post-Reise-Depression oder auch Post-Travel-Blues verfallen war. Keine Krankheit, sondern ein völlig normales Alltagsloch, in das beinahe jeder Reisende stürzt, der beim Versuch wieder in der Heimat anzukommen noch den Sand zwischen den Zehen spürt.

„Und, wie wars?“ Eine Frage, die ich gerne in aller Ausführlichkeit beantwortet hätte, aber in Wahrheit jeder nur mit „schön“ abhaken wollte, um schnell zum nächsten Thema überzuspringen. Schließlich besteht ja die Möglichkeit, sich bei ausschweifenden Erzählungen mit der Reiselust anzustecken und aus seinem öden Alltag gerissen zu werden!

Meine Freunde versuchten mich wieder in ihr tägliches Leben zu integrieren. Sie redeten über Anne und Phil, die sich gerade getrennt hatten, über die Party vom letzten Wochenende, die so endete wie alle anderen auch und diskutierten darüber, wer am nächsten Sonntag was zum Brunch vorbereitet.

Obwohl ich körperlich anwesend war, schien mein Geist noch in Asien zu hängen und es kam mir vor, als trennten mich die Erlebnisse meiner Reise von den Menschen, mit denen ich mich vorher so verbunden gefühlt hatte. Während meiner Abwesenheit schien die Zeit zu Hause stillgestanden zu haben. Nichts hatte sich verändert. Ich hatte mich verändert.

Mittlerweile weiß ich, dass meine Freunde es mir damals leicht machen wollten, mich wieder in ihrer Mitte einzufinden. Damals machte es mich traurig, ja sogar wütend. Heute bin ich ihnen dankbar.

Ein neues Heimatgefühl

Es folgten vier Jahre, in denen ich ohne festen Wohnsitz durch die Welt tingelte, neue Menschen traf, fremde Kulturen und Länder kennenlernte, mich lebendig und frei fühlte und jeden einzelnen Moment genoss. Immer wieder packte ich meine Tasche, zog hinaus und kehrte zurück.

Mit jeder Reise wurde das Heimkehren ein bisschen besser, nicht zuletzt, weil ich nun weiß, was mich erwartet. Ich habe keine Angst mehr, in das schwarze Loch namens Post-Travel-Blues zu fallen und mich fremd in der Heimat zu fühlen, denn jede Reise hat etwas Wunderbares, aber jede Reise hat auch ihre Zeit. Meine Erinnerungen an das Erlebte hüte ich wie einen kostbaren Schatz und zehre auch Jahre später noch davon.

Was sich verändert hat, ist mein Blickwinkel. Heute breche ich auf, weil ich das Gefühl des Abenteuers liebe, weil mich das Unbekannte reizt und ich kehre zurück, weil ich mich zu Hause geborgen fühle, weil ich hier einen Ort habe, an dem meine Herzmenschen sind.

Zu Hause genieße ich es, regelmäßig zum Yoga zu gehen, meine eigene Kaffeetasse sowie ein Regal voller spiritueller Bücher zu haben, auf meinem wunderschönen Balkon zu sitzen und meinen Tomantenpflanzen beim Wachsen zuzusehen. Dabei strecke ich mein Gesicht der Sonne zu und schreibe an meinem Buch.

Heimkehren nach einer langen Reise bedeutet für mich, dass meine Seele ankommen und ich mich erden kann.


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7 Kommentare
  1. Jill

    30. Juli 2017

    Liebe Julia, du sprichst mir aus dem Herzen! Ich habe das Heimkehren nach einem Jahr in Südafrika genauso erlebt.
    Fremd im eigenen Land.
    So langsam komme ich wieder in Deutschland an und auch ich habe meinen Blickwinkel geändert…
    Es ist ein langer Weg, aber man lernt so vieles über sich selbst.
    Drücke dich ganz fest. Jill

  2. Bento James

    3. August 2017

    Ein toller Beitrag! Weiter so!

  3. Sabi

    29. August 2017

    Sehr schön geschrieben! Mir ging es ähnlich. 2x im Ausland gelebt für ein paar Monate und nach der Heimkehr wollte ich nach kurzer Zeit eigentlich nur heulen. Beim 2. Mal wusste ich schon was mich erwarten würde und hatte mir auch keine Erwartungen gesetzt. Und trotzdem hat es jetzt ein halbes Jahr gedauert, bis ich mich wieder eingewöhnen konnte.

  4. Ina

    10. Oktober 2017

    Hallo liebe Julia,
    mal abgesehen davon das deine Reiseberichte sehr schön und informativ sind, wollte ich loswerden dass du einen sehr guten Schreibstil hast ;-) es macht wirklich viel Spaß zu lesen und man hat das Gefühl auch gerade da zu sein wo du bist! Ich wünsche dir weiterhin viel Spaß auf deiner Reise..

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