Schweizer Jura: Radreise durch eine (noch) völlig unterschätzte Region
Der Schweizer Jura wird oft als kleiner Bruder der Alpen bezeichnet und wird unserer Meinung nach völlig unterschätzt. Dabei hat die Region so viel zu bieten: Sie beheimatet eines der spektakulärsten Naturphänomene der Schweiz, verzaubert mit historischen Städtchen, die abseits der üblichen Touristenströme liegen und blickt auf ein reiches Erbe alter Uhrmacherkunst. Außerdem wurde hier im Jahr 1797 ein Getränk erfunden, das weltweit für große Aufregung sorgte.
Im Vergleich zur restlichen Schweiz ist das Juragebirge sehr dünn besiedelt. Und auch Reisende haben den Schweizer Jura noch nicht zu ihrer Bucket List hinzugefügt. Das wollen wir ändern! Wir haben eine viertägige Radreise durch die Region unternommen und zeigen dir in diesem Beitrag, was du hier erleben kannst.
Der Schweizer Jura
Der Schweizer Jura ist ein Mittelgebirge, das sich vom Nordosten der Schweiz entlang der französischen Grenze bis hinunter an den Genfer See erstreckt. Karges Kalkgestein, dichte Wälder und die offenen Juraweiden sind charakteristisch für die Region.
Egal wohin du auch schaust, im Schweizer Jura begegnest du überall Spuren vergangener Zeiten. Wo heute Berge und Felsen aus den Wäldern hervorragen, war einst (vor 250 bis 150 Millionen Jahren) das Urmeer Tethys. Durch Sedimentablagerungen entstand Kalkgestein. Man könnte also sagen, dass der Ursprung des heutigen Juragebirges aus den Überresten von Muscheln und Korallen besteht.
Mitten durch diese geologisch spannenden Landschaften führen verkehrsarme, asphaltierte sowie geschotterte Straßen. Sie bilden ein bestens ausgeschildertes Paradies für Mountainbiker:innen und laden dazu ein, die Region per Fahrrad zu erkunden.
Saint-Ursanne
Am ersten Tag unserer Reise durch den Schweizer Jura kommen wir per Zug in Saint-Ursanne an. Es dauert nur wenige Minuten bis wir uns in die mittelalterliche Kleinstadt in der französischsprachigen Schweiz verlieben.
Saint-Ursanne liegt am Ufer des Doubs Flusses und versprüht einen zauberhaften Charme. Als wir durch die engen, kopfsteingepflasterten Gassen schlendern, können wir kaum glauben, dass wir beinahe alleine hier unterwegs sind. Ist dieser Ort wirklich noch so unbekannt oder haben wir einfach einen außergewöhnlich ruhigen Tag erwischt?
Die bunt gestrichenen Häuserzeilen, die blumengeschmückten Plätze, die Stadttore, Brunnen und Brücken laden zum gemütlichen Flanieren ein. Den Mittelpunkt von St. Ursanne bildet die Stiftskirche mit ihrer romanischen Pfeilerbasilika sowie einer Krypta.
Am Abend essen wir im einzigen geöffneten Restaurant der Stadt: La Pastaverne – ein gelungener Mix aus Pasta und Taverne. Hier werden leckere Gerichte mit hausgemachter, frischer Pasta serviert.
Unsere Unterkunft für die erste Nacht im Schweizer Jura ist die Peanut Medieval Lodge mitten im historischen Ortskern. Die Zimmer sind ziemlich originell und in einem dunklen, schwarz-roten Stil eingerichtet.
Jura-Radroute 7
Am nächsten Morgen holen wir unsere E-Bikes ab und starten unsere Radreise durch den Schweizer Jura. Kurz nachdem wir Saint-Ursanne hinter uns gelassen haben, erwartet uns ein schweißtreibender Aufstieg. Wir folgen der bestens beschilderten Jura-Radroute 7 Richtung Franches Montagnes - oder auch Freiberge genannt. Sie befinden sich auf einem Hochplateau auf rund 1.000 Metern Höhe. Die Landschaft ist von offenen Weiden und Tannenwäldern geprägt.
Mittendurch ziehen sich kilometerlange Steinmauern. Sie sind ein Vermächtnis der alten Römer, die die Kunst des Mauerns ohne Mörtel nach Mitteleuropa brachten. Jahrhundertelang dienten sie zur Abgrenzung von Nachbarn oder zur Umzäunung von Weiden. Heute sind viele von ihnen bereits zerfallen.
Auf geteerten Straßen fahren wir durch die Dörfer Les Enfers und Le Bemont bis nach Saignelégier, dem Hauptort der Freiberge. Es folgt ein steiler Aufstieg zum Mont Soleil sowie eine rasante Abfahrt, bis plötzlich die ersten Hochhäuser von La Chaux-de-Fonds auftauchen. Unser erstes Etappenziel erreichen wir am späten Nachmittag. Da wir zu erschöpft sind, um die Stadt zu erkunden, heben wir uns das für den nächsten Tag auf.
Details zur Strecke:
- Fahrzeit ohne Pausen: ca. 5-6 Stunden
- Distanz: 63 Kilometer
- Höhenmeter: 1.500 / 1.200
- Leider gibt es auf der gesamten Strecke keine Einkehrmöglichkeiten. Wir empfehlen deshalb Proviant einzupacken.
La Chaux-de-Fonds
Zugegeben, auf den ersten Blick wirkt La Chaux-de-Fonds recht unspektakulär. Unsere Stadtführerin Myrianne Von Büren weiß das jedoch schnell zu ändern. Sie führt uns gleich zu Beginn der Tour auf den Espacité-Turm. Von der Aussichtsplattform in der 14. Etage überblicken wir die gesamte Stadt und erkennen schnell, was diese so besonders macht.
Es ist die einzigartige Schachbrettstruktur, speziell an die Bedürfnisse der Uhrenindustrie angepasst. Sämtliche Straßen und Häuserzeilen wurden so angelegt, dass möglichst viel Licht in die Fenster einfallen konnte. Hinter diesen saßen nämlich einst die Uhrmacher:innen mit Lupen und Pinzetten und fertigten die winzigen Einzelteile der Uhrwerke in aufwendiger Handarbeit an.
Noch heute lassen sich die ehemaligen Werkstätten an den großen, lichtdurchfluteten Fenstern erkennen. La Chaux-de-Fonds war damals das Zentrum der Schweizer Uhrenindustrie. Anfang des 20. Jahrhunderts stammten bereits mehr als die Hälfte der weltweit verkauften Uhren hierher.
Aufgrund der einzigartigen Stadtlandschaft wurde La Chaux-de-Fonds, gemeinsam mit dem Nachbarort Le Locle, 2009 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Wer mehr über die Geschichte der Schweizer Uhrmacherkunst erfahren möchte, kann das internationale Uhrenmuseum in La Chaux-de-Fonds besuchen. Wir haben es zeitlich leider nicht mehr geschafft.
Val-de-Travers
Nach der Stadtführung setzen wir unsere Radreise durch den Schweizer Jura fort. Von La Chaux-de-Fonds radeln wir durch die weite Landschaft des Vallée des Ponts bis ins malerische Val-de-Travers, dem Tal der grünen Fee. Hier wurde im 18. Jahrhundert der Absinth erfunden. Der hochprozentige Schnaps aus Wermut, Anis, Fenchel und weiteren Kräutern wurde zunächst als Heilmittel verwendet und entwickelte sich später zum regelrechten Kultgetränk.
Im 19. Jahrhundert erlebte der Absinth in Europa seine Blütezeit. Viele fühlten sich von seinem intensiven Geschmack und seiner vermeintlich inspirierenden Wirkung angezogen. Mit zunehmender Beliebtheit wuchs jedoch auch die Kontroverse um den Absinth. Aufgrund der enthaltenen Thujone wurden ihm halluzinogene und gesundheitsschädigende Wirkungen zugeschrieben. Das führte dazu, dass Absinth ab 1910 in der Schweiz sowie in anderen europäischen Ländern und in den USA verboten wurde.
Erst 2005, als wissenschaftlich belegt werden konnte, dass die gesundheitlichen Schäden auf die schlechte Qualität des Alkohols (und vermutlich auch auf die Menge des Alkoholkonsums) zurückzuführen sind, wurden die Produktion und der Genuss von Absinth in der Schweiz wieder erlaubt.
Wer mehr über die spannende Geschichte des Absinths erfahren möchte, kann das Absinth Museum in Môtiers besuchen. In jedem Fall aber solltest du ein Gläschen der grünen Fee probieren. In der Schweiz wird Absinth traditionell mit kaltem Wasser gemischt, wodurch er sich milchig trübt färbt und sein typisches Aroma entfaltet.
Details zur Strecke:
- Fahrzeit ohne Pausen: ca. 4 Stunden
- Distanz: 55 Kilometer
- Höhenmeter: 800 / 1.300
Bike Hotel in Couvet
Das Ziel unserer heutigen Etappe ist das Örtchen Couvet, das offiziell als Geburtsstätte des Absinths gilt. Hier befindet sich auch unsere schöne Unterkunft, das Hôtel de l’Aigle. Das historische Gebäude aus dem 18. Jahrhundert ist Mitglied der Swiss Bike Hotels. Das bedeutet, dass du dein Fahrrad hier sicher abstellen und bei Bedarf den Akku laden kannst.
Das Hotel bietet insgesamt 18 geräumige Zimmer, eine schattige Terrasse und einen hübschen Garten. Am Abend kannst du die regionale Küche des Hauses genießen und natürlich den ein oder anderen Absinth verkosten. Auf der Getränkekarte stehen alleine neun unterschiedliche Sorten.
Creux-du-Van
Am vierten Tag unserer Radreise durch den Schweizer Jura spüre ich die bereits zurückgelegten Kilometer in den Muskeln und auch mein Hinterteil schmerzt ganz schön. Aber da ich weiß, dass heute ein ganz besonderes Highlight auf uns wartet, steigen wir motiviert auf den Sattel und radeln los. Von Couvet geht es stetig bergauf zu einem der beeindruckendsten Naturdenkmäler der Schweiz, dem Creux-du-Van.
Die gigantische Felsenarena ist eine geologische Besonderheit. Sie entstand vor Millionen von Jahren durch Erosion. Wer vom oberen Rand in die Tiefe blickt, kann noch heute die Überreste von Gletschermoränen erblicken.
Bis zu 160 Meter fallen die Felswände beinahe senkrecht nach unten. Aufgrund seiner Form wird der Creux-du-Van oft auch als Grand Canyon der Schweiz bezeichnet.
La Roche-Devant
Vom Creux-du-Van radeln wir weiter und nehmen einen kleinen Umweg zum Aussichtspunkt La Roche-Devant. Hier liegt uns der riesige Neuenburgersee zu Füßen. Im Hintergrund ragen die Alpen empor. An besonders klaren Tagen könnte man sogar den Mont Blanc sehen.
Leider ist der Himmel trüb, aber dafür wartet ein anderes Highlight auf uns: An einer der Trockenmauern auf den Hochweiden der Juraberge beobachten wir kleine Hermelin Kinder beim Spielen.
Am Aussichtspunkt La Roche-Devant befindet sich auch eine gleichnamige Einkehrmöglichkeit mit toller Terrasse. Der sympathische Pächter stammt aus Rumänien und serviert super leckere Schweizer Rösti sowie lokale Biere und Weine. Hier lohnt es sich, einen Stopp einzulegen.
Über den ausgeschilderten Mountainbike Trail 56 geht es anschließend ziemlich rasant hinunter ins Tal Richtung Neuchâtel. Die Strecke besteht zum größten Teil aus unbefestigten, steilen Schotterpisten, auf denen das Fahren zum echten Abenteuer wird.
Ein letzter Blick auf die charakteristischen Kalksteinfelsen des Schweizer Jura, bevor sich das Tal plötzlich öffnet und wir durch die Weinberge hindurch zum Neuenburgersee gelangen. Das Ziel unserer Radreise ist in Sicht. Wir fahren noch eine ganze Weile am Seeufer entlang bis wir schließlich das Stadtzentrum erreichen. Hier geben wir unsere E-Bikes ab.
Details zur Strecke:
- Fahrzeit ohne Pausen: ca. 5 Stunden
- Distanz: 53 Kilometer
- Höhenmeter: 960 / 1300
Neuchâtel
Nach einer schnellen Dusche im Hotel, sammeln wir die letzten Kräfte und erkunden die wunderschöne Stadt mit ihrem mediterranen Flair. Wir spazieren durch die bunten Gassen und trinken einen Aperitif im Straßencafé.
Unser Genusstipp für Neuchâtel ist die legendäre Brasserie Le Cardinale. Das Gebäude wurde im 1733 erbaut und sieht von außen ziemlich unscheinbar aus. Im Inneren erwartet dich jedoch ein Kunstwerk aus der Zeit des Jugendstils. Bunte Fliesen mit Wasservögeln und Wildblumen, Märchenschlössern, Pfauen und Papageien zieren die Wände. Und auch das Interieur passt perfekt dazu.
Beim Essen lassen wir unsere Radreise durch den Schweizer Jura noch einmal Revue passieren und den letzten Abend ausklingen.
Infos zur Radreise im Schweizer Jura
An- und Weiterreise per Bahn
Startpunkt der Radreise ist das Städtchen Saint-Ursanne. Das kannst du von Deutschland aus bequem und vor allem umweltfreundlich per Bahn erreichen. Tickets erhältst du mit etwas Glück über den Super Sparpreis Europa in die Schweiz schon ab 19,90 Euro. Zurück geht es von Neuchâtel.
Falls du zwischendurch abkürzen und eine Strecke mit der Bahn zurücklegen oder noch weitere schöne Orte in der Schweiz bereisen möchtest, empfehle ich dir den Swiss Travel Pass. Er ist das All-in-one-Ticket für Bahnen, Busse und Schiffe in der gesamten Schweiz.
Schwierigkeitslevel der Radreise
Ich würde das Schwierigkeitslevel der mehrtägigen Radreise durch den Schweizer Jura als moderat bis fortgeschritten bezeichnen. Die Strecken führen überwiegend über verkehrsarme, asphaltierte Straßen. Einige Abschnitte bestehen jedoch auch aus sandigen, steinigen Waldwegen. Wer zwischendurch die vorgestellten Alternativrouten für Mountainbiker wählt, muss sich auf unbefestigte, teils extrem steile Trails und Schotterpisten einstellen.
Die Etappen sind in vier bis sechs Stunden (reine Fahrzeit) gut zu schaffen. Wir waren mit hochwertigen E-Bikes im Schweizer Jura unterwegs und ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich die Tour ohne elektrische Unterstützung bestimmt nicht geschafft hätte.
Gepäcktransfer
Damit du während deiner Radreise nur das allernötigste Gepäck im Rucksack transportieren musst, kümmert sich die Firma EuroTrek sicher und zuverlässig um den Gepäcktransfer. Jeweils morgens um 9 Uhr wird das Gepäck in der jeweiligen Unterkunft abgeholt und bis zum Abend in die nächste Unterkunft gebracht. Wir haben diesen Service bereits auf mehreren Zug-, Wander- und Radreisen in der Schweiz ausprobiert und waren jedes Mal sehr zufrieden.
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Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit Schweiz Tourismus und der Region Jura & Drei-Seen-Land.