Istanbul im Winter: Ein Städtetrip am Bosporus

Dicke Nebelschwaden umhüllen die Minarette der Sultan-Ahmed Moschee. Der graue, düstere Himmel wirkt dramatisch und durch die Gassen der Altstadt pfeift ein eisiger Wind. Klirrende Kälte kriecht unter meine Kleidung. Das ist Istanbul im Winter! Melancholisch und zugleich faszinierend. Mystisch und bezaubernd wie ein orientalisches Wintermärchen.

Istanbul im Winter
Draußen ist es schweinekalt, durch die verwinkelten Gassen pfeift ein eisiger Wind und dicke Regentropfen klatschen an die Fensterscheibe. Dick eingepackte Menschen laufen in Regenjacken durch Pfützen, die beinahe die Größe eines kleinen Sees erreichen. Die Kapuzen haben sie tief ins Gesicht gezogen. Die klirrende Kälte sieht man ihnen an.
Mit klatschnassen Füßen (hätte ich mir doch mal gefütterte Winterstiefel gekauft) und Händen kurz vor dem Gefrierpunkt (Handschuhe und eine dicke Winterjacke wären auch nicht schlecht gewesen) flüchte ich von der Straße in ein kuscheliges Café mit bunt bestickten Sitzkissen.
Eine Hitzewelle empfängt mich. Schon nach wenigen Sekunden beginnen meine Wangen zu glühen und mein durchgefrorener Körper taut langsam auf. Süßer Wasserpfeifen-Duft liegt in der Luft. Es riecht nach Apfel-Mandarine.
Ich wärme meine Hände an einem heißen türkischen Tee, der in einer verspielten Teetasse serviert wird. Sie ist nicht größer als ein Fingerhut. Dazu gibt es klebriges Baklava, ein zuckersüßes Blätterteiggebäck mit gehackten Nüssen. Durch die Fensterscheibe beobachte ich das Treiben auf der Straße und verliere mich in meinen Tagträumen…
Die Magie Istanbuls
Was fasziniert mich eigentlich so an dieser Stadt? Vielleicht die unbeschreibliche Reizüberflutung, die mich bei der allerersten Begegnung in den Bann zog? Das pulsierende Leben auf den Straßen? Die Atmosphäre? Die Menschen?
Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus allem, was Istanbul so besonders, so magisch und so anziehend macht und trotz kuscheligen 5 Grad unter Null, Temperaturen die ich sonst verabscheue, verliebe ich mich im Februar 2011 unsterblich in Istanbul.
Eine Stadt auf zwei Kontinenten
Einen ersten Überblick über die Megastadt zu bekommen ist gar nicht mal so leicht, denn als ich zum ersten Mal auf einem der sieben Hügel stehe, zwischen den Häusern durchschaue und das Wasser erblicke, bin ich etwas überfordert und frage mich: Bosporus, Marmarameer oder Goldenes Horn?
Istanbul ist umgeben von Wasser und wird durch das Meer in einen europäischen und einen asiatischen Teil getrennt. Somit ist Istanbul die einzige Stadt auf der Welt, die auf zwei Kontinenten liegt. Und so verschieden wie Europa und Asien kulturell sind, so aufregend, lebhaft und abwechslungsreich ist auch Istanbul.
In einer Nussschale über den Bosporus
„Ich habe ein schönes Boot und nehme euch mit auf den Bosporus. Ich zeige euch die schönen Villen und Paläste. Ich bin euer Kapitän,“ steht in krakeliger Handschrift in dem kleinen Büchlein geschrieben, das uns ein älterer Mann in grünem Pullover unter die Nase hält, als ich mit meiner Familie am Hafen entlang spaziere.
Der Mann lächelt herzlich, verspricht uns eine herrliche Sightseeing Tour mit seinem kleinen Boot, das direkt um die Ecke auf uns wartet. Anstatt eine der vielen Fähren zu nehmen, lassen wir uns auf den Deal ein und sitzen, ohne lange zu überlegen, in einer kleinen, wackeligen Nussschale auf dem Bosporus.
Es mag vielleicht abenteuerlich klingen, vielleicht sogar ein bisschen romantisch, doch schnell stellt sich heraus, dass diese Tour der absolute Reinfall ist.
Der eisige Wind macht die Bootsfahrt unerträglich. Ohne Erbamen kriecht er unter jeder noch so kleinen Ritze in der Plastikfolie hindurch, die unser einziger Schutz ist. Zusammengekauert und zitternd vor Kälte, hocken wir auf einer kleinen Holzbank.
Von den vielen Palästen und Moscheen, die das Ufer des Bosporus säumen und im Schneckentempo an uns vorbei ziehen, bekommen wir nicht viel mit, denn dicke Wassertropfen auf der Plastikfolie sowie dichter Nebel verdecken die Sicht.
Das winzige Boot wird von den Wellen wie eine Nussschale hin und her geschaukelt. Auf den Autoreifen, die rechts und links an der Reling hängen und als Fender dienen, liegt eine dünne gefrorene Schneeschicht.
Die Sightseeing Tour dauert eine gefühlte Ewigkeit. Unsere Rettung ist ein kurzer Zwischenstopp auf der anderen Seite des Bosporus. Sofort stürmen wir vom Boot runter und versorgen uns mit heißem Tee, denn schließlich müssen wir in der Nussschale auch wieder zurück zu unserem Ausgangspunkt.
Im Nachhinein kann ich mich stundenlang über diesen verrückten Bootstrip amüsieren, als ich mich damals an mein heißes Teeglas klammerte, fand ich die Tour allerdings alles andere als lustig.
Raki und Sahlep gegen klirrende Kälte
Nach der Bootsfahrt ziehen wir durchs Kneipenviertel Beyoğlu, trinken Raki (Anisschnaps) und heißen Sahlep, ein typisches, sehr cremiges Wintergetränk, das aus Orchideenwurzeln hergestellt und mit Zimt, Zucker und Milch verfeinert wird. Ich bin so begeistert von Sahlep, dass ich das Getränk in Pulverform gleich kiloweise mit nach Hause schleppe.
Trotz einer missglückten Bootstour und sibirischer Kälte hat mich die quirlige Großstadt am Bosporus verzaubert. Seit Februar 2011 gehört Istanbul zu meinen allerliebsten Lieblingsstädten auf der Welt.
Ein Jahr später besuchte ich Istanbul im Sommer und lernte die Metropole von ihrer bunten, sonnigen Seite kennen. Und immer noch bin ich überzeugt davon, dass Istanbul eine der liebenswertesten Städte überhaupt ist. Aus diesem Grund wird Istanbul auf meiner Bucket List niemals abgehakt. Ich freue mich schon jetzt auf meinen nächsten Besuch.
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