Algonquin: Der schönste Nationalpark in Kanadas Osten

Lediglich das Heulen der Wölfe ist zu hören, als wir, kurz nach Sonnenaufgang, unsere urige Blockhütte verlassen, die abseits von jeglicher Zivilisation, am Westeingang des Algonquin Parks in der kanadischen Provinz Ontario liegt.
Ich atme die klare Morgenluft ein und hüpfe hochmotiviert auf den Beifahrersitz unseres Autos. In den nächsten beiden Tagen werden wir drei Wanderungen durch den Algonquin Park unternehmen, im Kanu über die Seen fahren (schließlich sind wir in Kanada) und, was ich ganz besonders hoffe, wilde Tiere sehen. Immerhin soll es hier etwa 3.000 Elche und 2.000 Schwarzbären geben.
Im Schneckentempo (um die Tiere nicht aufzuschrecken) fahren wir über den Highway 60, der einmal quer durch den südlichen Teil des Algonquin Parks verläuft. Der dichte Nebel, der soeben noch tief unter den Baumwipfeln hing, verzieht sich langsam.
Wandern im Algonquin Park: Track and Tower Trail
Insgesamt gibt es 15 gut ausgeschilderte Wanderwege im Algonquin Park, die alle zwischen einem und 10,8 Kilometern lang und somit locker als Tagesausflug zu schaffen sind.
Zum Einstieg entscheiden wir uns für den 7,5 Kilometer langen Track and Tower Trail, denn in der Wegbeschreibung ist die Rede von einer abandoned railway, also einer stillgelegten Bahnstrecke. Das klingt spannend! Nachdem wir uns ins Besucherregister eingetragen haben, kann es losgehen.
Über kleine Flüsschen, an moosbewachsenen Steinen und Baumstämmen vorbei, führt uns der Track and Tower Trail durch idyllische Natur. Der weiche Waldboden gibt sanft unter unserern Füßen nach. Die Luft ist angenehm warm und duftet nach Baumharz.
Immer wieder treffen wir auf Eichhörnchen, die an ihren Nüssen knabbern, bevor sie die Flucht vor uns ergreifen und sich in den Baumwipfeln verstecken.
Nachdem wir zahlreiche Wurzeln und Felsen, schlammige Pfützen und kleine Hügel überwunden haben, endet der schmale Waldpfad an einer Holztreppe. Nun geht es steil bergauf. Der Anstieg ist ganz schön anstrengend, aber die Mühe lohnt sich allemal, denn auf dem höchsten Punkt des Trails angekommen, werden wir belohnt.
Die Aussicht vom Felsplateau ist atemberaubend. Hier rasten wir, essen unsere Brote und genießen dabei den Blick auf die sattgrünen Wälder und den Cache Lake, der sich durch die Landschaft schlängelt. So habe ich mir Kanada immer vorgestellt!

Achso, die hoch angepriesene abandoned railroad entpuppt sich übrigens als eine Erinnerung an eine ehemalige Zugstrecke. Verlasse Schienen, die mit Pflanzen überwuchert sind, so wie ich es mir in meiner Phantasie ausgemalt hatte, gibt es nicht zu sehen. Die Wanderung lohnt sich wegen des grandiosen Ausblicks trotzdem.
Wandern im Algonquin Park: Lookout Trail
Weil wir nach 7,5 Kilometern immer noch nicht genug haben, hängen wir gleich eine zweite Wanderung hinten dran: Den nur 2,1 Kilometer langen Lookout Trail. Durch einen schönen, dichten Laubwald, bestehend aus Kiefern und Ahornbäumen geht es so lange anspruchsvoll bergauf, bis wir den Lookout auf den Felsklippen erreicht haben.
Bis zu 25 Kilometer weit können wir auf die Wälder des Algonquin Parks blicken. Es ist der pure Wahnsinn! Die Aussicht gefällt uns so gut, dass wir bis zum Sonnenuntergang bleiben. Langsam färbt sich der Himmel orange-gelb und ich habe das Gefühl im Paradies angekommen zu sein. Es ist ein unglaublich schöner Moment, der sich tief in meine Erinnerung einbrennt.
Wandern im Algonquin Park: Centennial Ridges Trail
Unsere dritte Wanderung im Algonquin Park ist der Centennial Ridges Trail, ein 10 Kilometer langer Rundweg mit den angeblich schönsten Ausblicken des ganzen Parkes. Wir sind sehr gespannt, ob unsere bisherigen Erlebnisse überhaupt noch zu toppen sind und marschieren munter los.
Immer wieder geht es steil bergauf und bergab, teilweise müssen wir sogar klettern. Die Höhenmeter rauben uns im wahrsten Sinne des Wortes den Atem. Die Wanderung fordert unsere Fitness ganz schön heraus. Gute Wanderschuhe sind hier Pflicht!
Spätestens als wir Mac Dougall Mountain, den höchsten Punkt des Trails erreichen, wird uns klar, was „very impressive lookout“ bedeutet. 560 Meter über dem Meeresspiegel stehen wir wie Zwerge inmitten einer Bilderbuchlandschaft und blicken auf das, was die Natur uns bietet.
Plötzlich ziehen dunkle Regenwolken auf, der kühle Wind zaubert uns eine Gänsehaut auf die verschwitzen Körper und das Wetter wirkt etwas bedrohlich.
Über den weichen Waldboden, der mit Milliarden von Tannennadeln bedeckt ist, machen wir uns auf den Rückweg. Einige der Laubbäume tragen schon die Farben des Indian Summers und lassen erahnen, wie zauberhaft bunt es hier bald aussehen wird. Leider sind wir ein paar Wochen zu früh dran.
Kanutrip durch den Algonquin Park
Über 2.400 (!!!) Seen gibt es im Algonquin Park. Ich muss zweimal nachschauen, als ich das lese und prüfe sogar ein drittes Mal im Internet nach. Das kann doch nicht wahr sein. Doch, ist es! Unglaubliche 1.600 Kilometer an Paddelstrecken, die mitten durch die Naturschönheit des größten Parks in Ontraio führen, gibt es für Kanu- und Kajakfahrer.
Ein wenig misstrauisch stehen wir am Holzsteg des Kanuverleihs und lauschen der Einweisung des jungen Profis. Der nette Bursche teilt uns ein Aluminiumkanu zu, drückt uns Paddel, Schwimmwesten und ein Help-Kit mit Schwamm, Seil und Trillerpfeife in die Hand und wünscht uns viel Glück.
Vom Steg aus werfen wir das Kanu ins Wasser. Unsere Sachen haben wir in einem wasserdichten Packsack verstaut. Beim Einsteigen wackelt es ordentlich und ich sehe uns beide schon im Wasser liegen.
Glück gehabt. Ohne große Zwischenfälle paddeln wir los. Anfangs haben wir große Schwierigkeiten mit der Koordination, fahren immer wieder im Zickzack und finden keinen gleichmäßigen Rhythmus, doch mit der Zeit pendelt es sich ein.
Alleinstehende Häuser, Mini-Inseln und winzige Leuchttürme ziehen an uns vorbei oder besser gesagt, wir an ihnen. Hier draußen auf dem Wasser ist es still. Lediglich das leise Plätschern der Wellen, die sanft an die Außenwand des Kanus schlagen, ist zu hören. Es ist traumhaft. Ich traue mich kaum zu atmen.
Ganz sachte paddeln wir am Uferrand entlang. Hier muss doch irgendwo ein Elch im Gras stehen! Der Wind raschelt leise in den Bäumen. Hier und da knackst ein Ast. Wir sind auf der Lauer, doch leider beschränkt sich unser Wildlife-Encounter-Abenteuer auch nach ewigen Stunden auf dem See, auf eine kleine Entenfamilie, die munter an uns vorbei schwimmt.
Besuch von Bären
Mit müden Knochen und Lungen, prall gefüllt mit frischem Sauerstoff, blicken wir auf zwei anstrengende, aber traumhaft schöne Tage im Algonquin Park zurück. Erschöpft und glücklich fahren wir mit weniger als 20 Stundenkilometern über den Highway 60 zurück zu unserer Unterkunft. Unser Schneckentempo hat einen Grund: In der Dämmerung zeigen sich die Tiere, so heißt es. Unsere letzte Chance, einen Elch oder gar einen wilden Bären zu sehen!
Gespannt scannen wir die Wälder am Straßenrand ab, doch die im Affenzahn vorbeirauschenden Autos scheuchen die Tiere bestimmt auf. Plötzlich kreuzt etwas Flauschiges, Braunes unseren Weg.
„Ein Bär!“ schreit meine Freundin. Ich blicke auf. Das Tier läuft dem Fahrzeug auf der gegenüberliegenden Fahrbahn fast vor die Motorhaube. Die Scheinwerfer blenden. Zuerst erkenne ich nur einen Schatten. Dann kann ich ihn klar und deutlich auf der Straße sehen: Ein kleiner Schwarzbär.
Ängstlich hechtet er über die Fahrbahn und kraxelt, keinen Meter von mir entfernt, die Böschung hinauf. Er schnauft und prustet dabei wie ein wildes Tier, dabei sieht er aus wie ein Teddy, den man knuddeln möchte. Wenig später entdecken wir sogar noch einen zweiten Bären am Straßenrand.
Die Blockhütte im Algonquin Park
Wenn du den Algonquin Park besuchen möchtest und das Abenteuer in der Natur suchst, dann möchte ich dir eine Unterkunft ganz besonders ans Herz legen. Nur wenige Kilometer vom West Gaste entfernt, direkt am Highway 60, befindet sich das Wolf Den Hostel & Nature Retreat. Geschlafen wird hier in gemütlichen Hütten, das Badezimmer ist im Freien.
Auf dem Gelände befindet sich außerdem eine kleine Blockhütten-Sauna sowie Duschen und Grillplätze. Abends sitzen die Gäste gemeinsam am Lagerfeuer, lauschen den Klängen der Gitarre oder erzählen abenteuerliche Geschichten vom Algonquin Park. Meistens geht es wohl darum, wer tagsüber einen Elch oder einen Bären gesichtet hat.
Im gemütlichen Haupthaus befindet sich eine große, vollausgestattete Küche sowie ein Aufenthaltsraum mit Spielen und Büchern. Internet und Handynetz gibt es im Wolf Den nicht, denn hier ist Abschalten angesagt.
Das französisch-kanadische Ehepaar, die Inhaber der Unterkunft, achten der Umwelt zuliebe darauf, dass der Müll recycled wird und dass Wasser und Strom gepart werden. Wenn ich an die grausame Plastiktütengesellschaft denke, die uns auf dem Rest unserer Route in Nordamerika bisher begegnet ist, ist das Wolf Den Hostel ein wahrer Schatz.
Was du im Algonquin Park unbedingt dabei haben solltest:
- Ausreichend Wasser für lange Wanderungen! Viel trinken ist besonders wichtig.
- Einen Tagesrucksack. Der FjällRäven Kanken macht sich übrigens super auf Kanubildern 🙂
- Ein gutes Mückenspray von NoBite oder eine Anti-Insekten-Lotion von CarePlus
- Einen wasserdichten Packsack sowie wasserdichte Taschen für Kamera und Handy
- Eine Taschenlampe, um in der Nacht zum Toilettenhäusschen zu finden
- Gute Wanderschuhe wie meine Waldläufer für ausgiebige Wanderungen
- Eine wind- und regenfeste Jacke, am besten atmungsaktiv und leicht
- Den praktischen Reiseführer Kanada Osten / USA Nordosten (perfekt für eine Rundreise)
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