Leben im Fast-Forward-Modus und warum Sri Lanka mir gut tut
Schon seit einer gefühlten Ewigkeit laufe ich barfuß am Wassersaum entlang. Der kalte Schaum des Indischen Ozeans umspült meine Füße, die vom heißen Sand aufgewärmt sind. Der sanfte Tropenwind weht mir ins Gesicht während ich das ewige Spiel der Wellen beobachte.
Ich lausche der Brandung und trifte in Gedanken völlig ab. Die letzten sechs Monate vergingen so wahnsinnig schnell, als hätte jemand die Vorspul-Taste meines alten Kassettenrekorders gedrückt. Ich befinde mich im Fast-Forward-Modus.
Mir scheint es, als habe ich hier und jetzt am endlos langen Traumstrand von Negombo zum ersten Mal seit Monaten Zeit zum Luftholen, zum Nachdenken, zum Abschalten. Wann war ich das letzte Mal bewusst alleine und habe den Moment genossen? Ich weiß es nicht mehr.
Es wird allerhöchste Zeit zu entschleunigen und die Stop-Taste des alten Rekorders zu drücken!
Im August 2015 brach ich zu einer Reise in die Vereinigten Staaten und nach Kanada auf. Damals hatte ich noch keinen blassen Schimmer davon, dass ich heute in Sri Lanka sein und meine Zehen im goldgelben Sand vergraben würde.
Der Nordamerika Roadtrip startete in Boston. Von dort aus ging es zu den beeindruckenden Niagarafällen, nach Toronto, Detroit und Chicago. Anschließend nach Ottawa, zu den 1.000 Islands, nach Montreal, Quebec und über Portland zurück nach Boston.
Gleich danach besuchte ich meine Tante und meinen Onkel in Colorado. Wir fuhren in die Rocky Mountains, womit ein lang ersehnter Traum von mir in Erfüllung ging. Wir besuchten alte Cowboystätte und fuhren mit der Zahnradbahn zum Pikes Peak.
Mein Kopf war voll von atemberaubenden Bildern und neuen Eindrücken. Zeit, das Erlebte zu verarbeiten oder gar aufzuschreiben hatte ich bisher keine, denn schon bevor ich zurück nach Deutschland flog, hatten sich meine Pläne für den Winter in Luft aufgelöst.
Auslöser war eine Email, eine Anfrage fürs Kreuzfahrtschiff. Ich sollte für zwei Monate einspringen, einen Kollegen vertreten. Bei dem verlockenden neuen Fahrtgebiet des Schiffes konnte ich nicht Nein sagen. Außerdem hatte ich die Kohle dringend nötig. Ich schmiss meine Pläne, nie wieder auf dem Kreuzfahrtkutter zu arbeiten, über den Haufen und stieg in Griechenland auf.
Ich beugte mich mal wieder dem Schiffsleben, erlebte viele gute, aber leider auch etliche schlechte Dinge. Ich verbrachte schöne Mittagspausen in Antalya, in Dubai, Mumbai, Thailand, Malaysia und Singapur.
Gleichzeitig wurde mir mal wieder die unerträgliche Schnelllebigkeit sowie all die anderen Schattenseiten vom Arbeiten auf einem Kreuzfahrtschiff bewusst. Dieses Mal vielleicht mehr denn je. Aber davon möchte ich ein anderes Mal erzählen.
Am 23. Dezember sollte ich absteigen und nach Berlin fliegen. Mein Flugticket hing bereits, mit einem Magnet befestigt, an meiner eisernen Kabinenwand, damit ich die Tage bis zum Abstieg rückwärts zählen konnte.
Doch auch da kam wieder alles anders als geplant. Ich entschied mich zu bleiben. Nicht auf dem Schiff, aber dafür in Asien. Ich kaufte einen neuen Backpack auf Koh Samui und stürzte mich kopfüber ins nächste Abenteuer.
Am 23. Dezember, einen Tag vor Weihnachten, verließ ich also das Schiff gemeinsam mit einer Freundin und wir gönnten uns das beste Upgrade unseres Lebens: Von der Crewkabine unter dem Meeresspiegel in den 48. Stock des Marina Bay Sands Hotels in Singapur.
Nach einer Wahnsinnsnacht im Luxusbunker mit dem berühmtesten Infinity Pool der Welt, wurden wir zurück in die Wirklichkeit katapultiert und landeten knallhart in einem fensterlosen, muffigen Ranzzimmer mitten in Chinatown.
Wir verbrachten unendlich schöne Tage in Singapur, genossen unsere Freiheit bei Livemusik in der Haji Lane, erlebten Weihnachten in den Gardens by the Bay und entdeckten Singapur von seinen allerschönsten Seiten.
Anschließend fuhren wir mit dem Bus nach Kuala Lumpur. Wir besuchten die Batu Caves, saßen in der geilsten Bar, die ich je gesehen habe und fraßen uns durch die Stadt. Kuala Lumpur ist sooooo lecker! Berichte dazu folgen bald.
Kurz vor Jahresende flogen wir nach Colombo, die Hauptstadt Sri Lankas. Von nun an waren wir zu dritt unterwegs. Wir verbrachten entspannte Tage am Meer, lagen in der Sonne, aßen unzählige Rotis mit Gemüse oder Bananen gefüllt und feierten das Leben.
Silvester traf uns ziemlich überraschend, denn wir hatten aus Zeitmangel keine Unterkunft gebucht. Wir standen auf der Straße. Ein Einheimischer ließ uns letzten Endes in seinem noch nicht fertig gebauten Guesthouse schlafen. Die Dusche funktionierte nicht und auch der Rest des Hauses war noch im Rohbau.
Im neuen Jahr starteten wir unsere Rundreise durch Sri Lanka per Bus und Zug. Wir besuchten die zauberschöne Stadt Galle mit ihrem alternativen Flair, wir stiegen auf den 2.243 Meter hohen Adam’s Peak, den heiligsten Berg des Landes, besuchten die alte Königsstadt Kandy mit ihrem Zahntempel sowie die Höhlentempel in Dambulla.
Wir kletterten auf den Pidurangale Rock, von wo aus wir einen atemberaubenden Ausblick auf die Dschungelwelt und den berühmten Sigiriya Felsen genießen konnten. Wir besuchen die Ruinenstätte Polonnaruwa und Anuradhapura mit dem heiligen Bodhi Baum, unter dem Siddhartha Gautama seine Erleuchtung hatte und zum Buddha wurde.
Unser letztes Ziel war Mihintale, die Geburtstätte des Buddhismus in Sri Lanka. Ich habe diesen Ort als unglaublich schön und spirituell empfunden.
Das neue Jahr hat gerade erst begonnen und ich habe schon so unglaublich viel gesehen. Ich bin dankbar für all die tollen Erlebnis, die mir das Leben, das ich mir so ausgesucht habe, bietet.
In den letzten Wochen habe ich mich unsterblich in die Schönheit Sri Lankas verliebt. Ich hatte eine tolle Zeit mit Freunden und konnte neue Kräfte sammeln. Sri Lanka tut mir unglaublich gut.
Heute trennen sich unsere Wege. Während die beiden Mädels sich bei einem Surfkurs im Süden in die Wellen schmeißen, bin ich nach Negombo gekommen, um Ballast abzuwerfen und meine Batterien aufzuladen.
Ich lasse mich in den warmen, weichen Sand fallen und beobachte wie die Sonne langsam im Meer versinkt.
Plötzlich taucht einer dieser nervigen Strandverkäufer neben mir auf und hält mir ein super schönes Strandtuch vors Gesicht. 2.500 Rupien möchte er dafür haben. Obwohl ich das Tuch am liebsten sofort kaufen möchte, bin ich genervt und reagiere abweisend. Ich hasse es, am Strand angequatscht zu werden.
Die aufdringlichen Verkäufer lassen einen nämlich nicht in Ruhe. Sie drücken einem ein Gespräch aufs Ohr (selbst dann wenn man gerade in ein Buch vertieft ist), stellen alle exakt die gleichen Fragen (Where are you from? Do you like Sri Lanka?) und am Ende versuchen sie einem dann doch ihre Ware anzudrehen.
Doch Risan ist keiner von ihnen. Risan ist anders. Er setzt sich zu mir in den Sand, packt seine Tücher weg und wir reden, reden reden.
Er erzählt vom Tsunami, den er im Dezember 2004 hautnah miterlebt hat. Als die Megawelle über Sri Lanka hinein brach, blieb ihm nichts mehr anderes übrig als um sein Leben zu rennen. Große Teile des Landes wurden damals zerstört, ganze Landstriche wurden verwüstet und an den Küsten gab es etliche Tote.
Mittlerweile hat sich Sri Lanka von der schrecklichen Tragödie erholt. Die Touristen kommen wieder in Scharen, doch die Wunden bleiben. Die Erinnerungen, die Narben.
Risan ist 37 Jahre alt. Im Gegensatz zu vielen anderen Singhalesen hat er bereits einiges von der Welt gesehen. Er war schon in Thailand, Indien und auf den Malediven.
Wir stellen fest, dass wir die gleichen Ängste teilen, wir reden über den Buddhismus, obwohl er Moslem ist und er erzählt mit strahlenden Augen vom Vollmondfest, dem Esala Perahera, das jedes Jahr im August in Kandy gefeiert wird.
Bunt geschmückte Elefanten und Feuerspucker ziehen durch die Straßen der alten Königsstadt und zelebrieren. Ich soll im Sommer wiederkommen und mir das Spektakel ansehen, meint er.
Über unseren Köpfen fliegen die Flugzeuge vom Bandaranaike International Airport, der nur 10 Kilometer vom Negombo Beach entfernt ist. Risan weiß ganz genau, um welche Uhrzeit welche Maschine abhebt und landet. Er kennt die Fluggesellschaften und ihre Destinationen. „Jeden Mittwoch um 16.30 Uhr landet eine Maschine aus Österreich, ein Direktflug. Zwei Stunden später sind die Österreicher in Negombo,“ erzählt er. Dann muss er zum Strand, um seine Tücher zu verkaufen. Seit 20 Jahren macht er das schon.
Wir unterhalten uns lange. Vielleicht zwei, vielleicht auch drei Stunden sitzen wir im Sand. Längst ist die Sonne verschwunden. Der Mond hängt wie eine dünne Sichel am schwarzen Nachthimmel und wirft sein silberfarbenes Licht aufs Meer. Die Wellen rauschen sachte und laufen am Strand aus.
Risan versucht mir nichts aufzuquatschen. Er verliert kein Wort über die bunten Strandtücher in seiner Tasche. Wir verabschieden uns voneinander und gehen getrennte Wege. Er hat ein gutes Herz. Mein anfängliches Misstrauen ist mir beinahe peinlich.
Ich suche mir ein kleines Restaurant am Straßenrand, in dem es Sri Lankan Food gibt und bestelle vegetarisches Rice & Curry, das Hauptgericht Sri Lankas. Zur Feier des Tages trinke ich ein Lion Beer. Die letzten Wochen habe ich auf Alkohol verzichtet. Warum? Einfach so.
Ich beschließe, von nun an den Fast-Forward-Modus auszuschalten und versuche, mein Leben im Play Modus laufen lassen. Vielleicht drücke ich auch erst mal auf Pause?! Wie? Mit einer Ayurveda Kur, auf die ich mich jetzt tierisch freue!
Sophia
Liebe Julia,
Du schreibst einfach wunderbare Artikel! Ich glaube viele Menschen leben in diesem Fast-Forward-Modus und bemerken es nicht einmal. Man sollte sich immer wieder Pausen gönnen – auch im Alltag. Ich bin sehr gespannt was Du auf Deiner Ayurveda-Kur erleben wirst.
Liebste Grüße aus Hamburg
Sophia
julialassner
Liebe Sophia,
ich freue mich immer wieder über deine lieben Worte. Danke!!
Auch wenn ich den kleinen Kick des Fast-Forwards-Leben manchmal
brauche, sind meine Batterien irgendwann am Ende und ich brauche
dringend Zeit zum Runterkommen.
Die Ayurveda Kur tut mir unglaublich gut. Werde bald berichten.
Alles Liebe aus Sri Lanka,
Julia
Maria Anna
Großartig, wie viel du in den letzten Monaten gesehen hast! Aber ich kann auch verstehen, dass du mal wieder eine Pause brauchst, eine wenig Ruhe, um das auch alles ankommen zu lassen. Erhol dich gut!
julialassner
Die Ayurveda Kur eignet sich grade perfekt, um runterzukommen.
Fühle mich schon nach zwei Tagen wie neugeboren :)
Yvonne
So toll geschrieben! Ja, das Reisen öffnet uns doch oft die Augen und lässt unsere Vorurteile zurück rudern.
Genieß deine Auszeit – sie hört sich ganz wunderbar an!
Happy travels,
Yvonne
http://www.lovelyforliving-mag.com/
julialassner
Danke liebe Yvonne!
Meine Auszeit genieße ich gerade in vollen Zügen.
Fühle mich jetzt schon wie neugeboren :)
Alles Liebe aus Sri Lanka,
Julia