Bäume pflanzen fürs Klima: Ist das wirklich nachhaltig oder nur gut fürs Image?
„Mit dem Kauf dieses Produktes pflanzt du einen Baum.“ Dieses Werbeversprechen steht mittlerweile überall – auf Schokoriegeln, Tshirts, Hafermilch und Kosmetikprodukten. Sogar durch eine Suchanfrage bei der Öko-Suchmaschine Ecosia kann ich angeblich Bäume pflanzen. Wenn das alles so stimmt, müsste ich bereits einen gigantischen Wald voller Bäume auf diesem Planeten gepflanzt haben.
Das Bäumepflanzen ist zum Symbol gegen den Klimawandel geworden. Doch ist es wirklich sinnvoll, Wälder im großen Stil aufzuforsten? Oder steckt dahinter einfach nur eine ausgeklügelte Marketingmasche, um Produkten ein vermeintlich nachhaltiges Image aufzudrücken und uns als Konsument:innen das schlechte Gewissen zu nehmen? Und wo stehen überhaupt die vielen Bäume, die wir alle mit unseren Einkäufen und Ecosia-Suchanfragen täglich pflanzen?
Ich habe mich intensiv mit diesem Thema beschäftigt und möchte die (teilweise wirklich erschreckenden) Ergebnisse meiner Recherche gerne in diesem Beitrag teilen.
Die Idee hinter dem Bäumepflanzen
Autofahren, Fleisch essen, heizen, fliegen – all das setzt klimaschädliche Treibhausgase (besser bekannt als Kohlenstoffdioxid oder CO2) frei. Je mehr CO2 sich in unserer Atmosphäre befindet, desto heißer wird es auf unserem Planeten.
Bäume haben die wundervolle Eigenschaft, große Mengen an CO2 aus der Luft aufnehmen und binden zu können. Sie reduzieren somit den Anteil von Kohlenstoffdioxid in unserer Atmosphäre und reduzieren die erderwärmende Wirkung. Je mehr Bäume es gibt, desto mehr CO2 wird gebunden. Klingt erst einmal sehr sinnvoll.
In der vereinfachten Theorie werden die CO2 Emissionen, die bei der Herstellung eines bestimmten Produktes entstehen, mit den Emissionen gleichgesetzt, die ein ausgewachsener Baum aus der Atmosphäre bindet. Manche Unternehmen gehen sogar soweit und vermarkten ihre Produkte dank Aufforstungsausgleich als klimaneutral. Bei Verbraucher:innen entsteht dadurch das Gefühl, mit dem Kauf etwas Positives zu bewirken.
Dabei werden folgende Fakten jedoch meist unter den Teppich gekehrt:
Mit dem Pflanzen ist es nicht getan
Das Problem an Aufforstungsprojekten ist jedoch, dass es mit dem Pflanzen noch lange nicht getan ist. Beim Kauf eines bestimmten Produktes wird den Konsument:innen werbewirksam vorgegaukelt, dass dadurch riesige Wälder entstehen. In Wahrheit werden allerdings (logischerweise) erst mal nur winzige Setzlinge in die Erde gepflanzt und es dauert sehr viele Jahre bis daraus Bäume entstehen, die tatsächlich in der Lage dazu sind, CO2 zu kompensieren. Ein Beispiel: Eine Buche muss 80 Jahre wachsen, um eine Tonne CO2 aufzunehmen.
In der traurigen Realität werden die frisch bepflanzten Areale oft sich selbst überlassen und die meisten Sämlinge überleben nicht einmal das erste Jahr. Sie werden von Tieren gefressen oder vertrocknen, weil sich niemand drum kümmert. In solchen Fällen handelt es sich tatsächlich um reinstes Greenwashing.
Junge Bäume sind anfällig für Krankheiten. Sie benötigen Licht, Wasser und Nährstoffe zum Wachsen. Damit aus den kleinen Setzlingen ein Baumbestand werden kann, der sich positiv aufs Klima auswirkt, muss eine nachhaltige und kontinuierliche Pflege gewährleistet sein. Eine erfolgreiche Aufforstung braucht langfristiges Engagement und kostet Geld. Das wird bei den Marketingmaßnahmen häufig nicht bedacht.
Monokulturen
Ein weiterer Kritikpunkt vieler Aufforstungsprojekte ist das Anpflanzen von Monokulturen. Das bedeutet, dass komplette Flächen mit nur einer Baumart bepflanzt werden. Mit ökologischer Vielfalt hat das leider wenig zu tun.
Monokulturen können CO2 nicht so gut speichern und an den Boden abgeben wie Mischwälder. Aufgrund einer schlechteren Nährstoffversorgung sind sie anfälliger für Krankheiten und Schädlinge wie den Borkenkäfer. Außerdem können sie Stürmen oder Dürreperioden weniger gut trotzen.
Viel sinnvoller wäre es, artenreiche Mischwälder mit einem hohen Anteil an Laubbäumen anzulegen. Sie können sich durch Kronen- und Wurzelsysteme besser mit Nährstoffen versorgen, sind widerstandsfähiger und bieten unterschiedlichen Tierarten ein Zuhause.
Falsche Baumarten
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass für Aufforstungsprojekte oftmals Baumarten verwendet werden, die zwar schnell wachsen, aber entweder nicht heimisch sind oder nicht an die örtlichen Bedingungen angepasst sind. Ein gutes Beispiel dafür ist Eukalyptus. Er wächst sehr schnell, benötigt jedoch viel Wasser. Wird er in Regionen angepflanzt, aus denen er nicht stammt (zum Beispiel Portugal und Spanien), nimmt er heimischen Pflanzen das Wasser weg.
In Deutschland haben wir das gleiche Problem mit Kiefern und Fichten, die in Monokulturen angebaut wurden. Nadelbäume haben grundsätzlich eine geringere Holzdichte und speichern deshalb weniger CO2. Sie sind besonders anfällig für Schädlinge und auch Brände breiten sich in reinen Nadelwäldern sehr viel schneller aus als in Mischwäldern. Außerdem sorgen reine Nadelwälder für saure, verdichtete Böden, sodass andere Pflanzen keine Chance mehr haben.
Bei einer sinnvollen, nachhaltigen Aufforstung werden Baumarten und Standort aufeinander abgestimmt. Außerdem sollten ausschließlich heimische Pflanzen angebaut werden. Zu guter Letzt sollten auch der Klimawandel und seine Folgen berücksichtigt werden. Laut Experten ist damit zu rechnen, dass sich die Bodenverhältnisse und klimatischen Bedingungen in den nächsten Jahren stark verändern werden. Uns stehen häufigere Hitzeperioden, Wassermangel und Starkregen bevor. Nur wenn solche Szenarien bedacht werden, haben die Bäume auch in den nächsten Jahrzehnten eine Chance zu überleben.
Wie kann ich Greenwashing erkennen?
Für uns als Konsument:innen ist es ehrlich gesagt nicht ganz leicht zu erkennen, ob es sich bei dem Spruch „Durch den Kauf dieses Produktes wird ein Baum gepflanzt“ um eine sinnvolle Aktion zum Klimaschutz oder um Greenwashing handelt.
Ich persönlich habe das Glück, dass ich regelmäßig Kooperationsanfragen von Firmen erhalte, die mit mir arbeiten und ihre Produkte von mir beworben haben wollen. Häufig lese ich bereits in der ersten Anfrage: „Bitte erwähne unbedingt, dass pro verkauftem Produkt ein Baum gepflanzt wird“.
Ich frage an dieser Stelle grundsätzlich nach und möchte wissen, wo die Bäume gepflanzt werden und ob nach der Pflanzung auch sichergestellt wird, dass die Bäume gepflegt werden. Meistens bekomme ich daraufhin keine Antwort oder es besteht ganz plötzlich doch kein Interesse mehr an einer Zusammenarbeit mit mir. Es wird dann lieber ein anderer Creator gebucht, der keine unangenehmen Fragen stellt. Diese Erfahrung habe ich in den letzten Jahren häufig gemacht. Das Gute daran: Ich erkenne dadurch super leicht, welche Unternehmen transparent und ehrlich sind und welche bewusstes Greenwashing betreiben. Namen werden ich an dieser Stelle nicht nennen.
Aber anhand welcher Kriterien kann ich als Konsument:in nun prüfen, ob es sich um seriöse Baumpflanzprojekte handelt. Hier einige Ideen:
Wo wird der Wald gepflanzt?
Seriöse Organisationen legen in der Regel transparent dar, wo neue Wälder entstehen. Manche geben sogar konkrete GPS-Daten oder Adressen an. Befinden sich die Aufforstungsflächen in fernen Ländern, kann natürlich viel erzählt werden. In Deutschland gibt es jedoch auch Organisationen, wie die Stiftung Klimawald, die ausschließlich auf gemeinnützigem Grund aufforstet. Die Klimawälder sind für alle Interessierten jederzeit frei zugänglich.
Soziale Aspekte berücksichtigen
Zugegeben, dieser Punkt ist schwierig zu überprüfen, aber ein Blick auf soziale Aspekte kann, wenn offen kommuniziert, sehr aufschlussreich sein. Inwiefern wird zum Beispiel die lokale Bevölkerung mit in die Pflanzung und Pflege einbezogen und trägt das Projekt zur Entwicklung der Region bei? Besonders dann, wenn es sich um Pflanzprojekte in Entwicklungsländern handelt, sind solche Aspekt super wichtig.
Auf Siegel achten
Siegel können Auskunft darüber geben, wie nachhaltig und seriös bestimmte Aufforstungsprojekte sind. Die Non-Profit Zertifizierungsorganisation Gold Standard zeichnet zum Beispiel Projekte aus, die sich neben der CO2-Kompensation auch der nachhaltigen Entwicklung vor Ort verpflichtet haben.
Fazit zum Bäumepflanzen
Bäume sind gut fürs Klima – das wissen wir alle. Deshalb ist auch der Grundgedanke, möglichst viele neue Bäume zu pflanzen, eine gute Idee. Wird ein Baumprojekt jedoch nicht richtig durchgeführt, das heißt, die Setzlinge werden irgendwo auf der Welt eingebuddelt und anschließend sich selbst überlassen, handelt es sich um eine vollkommen sinnfreie Aktion, die lediglich zu Marketingzwecken dient.
Dem Unternehmen oder den Produkten wird dadurch ein vermeintlich grünes Image verpasst. Das nennt man dann Grennwashing. Mein Tipp: Bevor du dich von irgendwelchen Baumpflanzversprechen täuschen lässt, schau dir lieber an, wie umweltfreundlich das Produkt wirklich ist oder wie nachhaltig und verantwortungsvoll das Unternehmen unabhängig vom Aufforstungsprojekt arbeitet.
Wird eine Pflanzaktion richtig durchgeführt und die Setzlinge wachsen zu einem gesunden Wald heran, dann macht das Ganze definitiv Sinn. Trotzdem sollte uns als Konsument:innen auch dann bewusst sein, dass unser Kauf keinen Soforteffekt hat. Bis ein Baum so groß ist, dass er CO2 aus der Atmosphäre ziehen und binden kann, dauert es mehrere Jahrzehnte – vorausgesetzt er wird nicht von Tieren abgefressen, vertrocknet, brennt ab, wird für Weideflächen gerodet oder überflutet.
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