There is no planet b: Das Klima retten und trotzdem reisen?

Viele Jahre lang arbeitete ich auf Kreuzfahrtschiffen ohne dabei einen Gedanken an die Umwelt zu verschwenden. Selbstverwirklichung im Job stand für mich damals nicht im Vordergrund. Was mich reizte, waren die vielen Länder, die ich in möglichst kurzer Zeit bereisen konnte. Auch zwischen meinen Schiffseinsätzen folgte ich meinem Herzen, das von exotischen Orten und fremden Kulturen förmlich angezogen wurde, und reiste mit dem Backpack um die ganze Welt. Wie ein Schwamm saugte ich all die Eindrücke auf, dabei wurde die Liste der Länder, die ich noch bereisen wollte immer länger statt kürzer.
Themen wie Klimaerwärmung, Umweltschutz und Nachhaltigkeit waren damals noch nicht in aller Munde. Plastik war hässlich, aber keine Bedrohung für den Planeten und auch die übermäßig vielen Flugreisen appelierten nicht an mein ökologisches Gewissen. Im Gegenteil, mit Stolz checkte ich mit meiner Vielflieger-Karte ein und zählte die Stempel, die ich bereits im Reisepass gesammelt hatte.
Reisen wurde für mich zum Lifestyle
Das Reisen entwickelte sich für mich zu einem Lifestyle. Fremde Länder erkunden, schöne Momente in Bildern und Texten festhalten und die Welt greifbar machen – das machte mich nicht nur unfassbar glücklich, sondern es wurde zu meinem Beruf. Als ich die Arbeit auf dem Kreuzfahrtschiff hinter mir ließ und globusliebe gründete, hatte ich die Vision, möglichst viele Menschen zum Reisen zu inspirieren. Das habe ich auch geschafft. Mein Reiseblog wird mittlerweile von mehr als 100.000 Menschen im Monat gelesen und ich habe bereits zwei Bücher übers Reisen geschrieben.
Immer häufiger wurde ich von Reiseveranstaltern, Tourismusbehörden, Hotels und Fluggesellschaften gebucht. Ich durfte Costa Rica im Auftrag eines Kunden kennenlernen, wurde auf die Bahamas eingeladen, flog mal eben für einen zwei-tägigen Fotoauftrag nach Slowenien und pendelte lange Zeit zwischen Köln und Berlin – natürlich nicht per Bahn, sondern mit dem Billigflieger für 19,95 Euro. Was ich dem Planeten damit antat, war mir damals nicht bewusst.
Vielleicht wollte ich es auch nie so wirklich wahrhaben, wollte den schönen Reise-Lifestyle weiterhin genießen und mich nicht zu nachhaltigen Themen äußern. Von negativen Kommentaren blieb mein Reiseblog vollkommen verschont. Nicht mal als ich stolz verkündete, 20 Länder in einem Jahr bereist zu haben, erntete ich Kritik. Im Nachhinein finde ich das sehr seltsam.
So möchte ich nicht mehr leben
2018 kamen die ersten Gewissensbisse. Ich beschäftigte mich zunehmend mit Nachhaltigkeit und Umweltschutz, las stapelweise kritische Bücher, schaute unendlich viele Dokumentationen und begann mein eigenes Handeln zu hinterfragen. Privat krempelte ich mein Leben um, nicht radikal von heute auf morgen, aber in vielen kleinen Schritten. Ich kaufte sehr viel bewusster ein, reduzierte meinen Plastikmüll so drastisch, dass es anderen Leuten auffiel, wie wenig gelbe Säcke plötzlich nur noch vor unserer Haustür standen und begann ausschließlich selbst hergestelltes Wasch-, Spül- und Putzmittel zu verwenden.
2019 steigerte ich das Ganze. Anstatt „nur“ vegetarisch zu leben, reduzierte ich auch den restlichen Konsum tierischer Produkte auf ein Minimum. Ich lebe seitdem zwar nicht 100% vegan, bin aber mittlerweile komplett auf Pflanzenmilch umgestiegen, verzichte weitestgehend auf Eier und esse nur noch selten Käse.
In diesem Jahr machte ich mir auch zum ersten Mal ernstzunehmende Gedanken über faire Kleidung. Ich stoppte meine Online Bestellungen und den Shoppingwahnsinn von billiger Wegwerfmode, stellte mein Konsumverhalten um und beschloss weniger zu fliegen. Privat bekam ich das alles ganz gut hin mit dem grünen Lebensstil und ich fühlte mich gut dabei. Nur beruflich stand und stehe ich noch immer vor einer riesigen Herausforderung.
Das Ende meines Reiseblogs?
Mein innerer Konflikt wurde plötzlich so stark, dass ich nicht mehr damit leben wollte, denn wie kann ich einerseits behaupten, dass ich unseren wundervollen Planeten vor Klimakatastrophen schützen möchte, wenn ich andererseits überdurchschnittlich viel CO2 verursache? Wie kann ich regelmäßig an Demonstrationen für den Klimaschutz teilnehmen und gleichzeitig meine Leser zum Vielfliegen animieren? Bin ich als erfolgreiche Reisebloggerin etwa mitverantwortlich für den Klimawandel?
Ja, das bin ich, denn ich habe eine Vorbildfunktion und mir ist bewusst, dass ich nicht nur mit der Wahl meiner Reiseziele, sondern auch mit den von mir vorgestellten Reisearten und mit der Auswahl der Unternehmen, mit denen ich arbeite, das Reise- und Konsumverhalten vieler Leser und Instagram Follower beeinflusse.
Seit Monaten zerbreche ich mir nun schon den Kopf darüber, wie es weitergehen soll. Globusliebe dicht machen? Das kommt für mich nicht in Frage. Mit dem Reisen aufhören? Das möchte ich ebenfalls nicht, denn wie ich in meinem Buch »Wie uns Reisen glücklich macht« schreibe, bin ich nach wie vor davon überzeugt, dass Reisen richtig und wichtig ist.
Es lehrt uns schließlich, uns mit fremden Kulturen auseinanderzusetzen, es stellt uns vor Herausforderungen, es bildet, es lehrt Dankbarkeit und Demut und es bringt uns auch ein Stück weit zu unserem eigenen Kern. Schlussendlich können wir nur durch das Reisen überhaupt lernen, wie wunderschön und schützenwert unsere Erde doch ist.
Neue Wege
Vielen von euch ist bereits aufgefallen, dass ich in diesem Jahr die meiste Zeit in Deutschland gereist bin. Das war kein Zufall, sondern eine bewusste Entscheidung, denn ich habe in den letzten Monaten mehr Anfragen für Produktionsreisen im Ausland abgelehnt als jemals zuvor. Es fiel mir ehrlich gesagt nicht immer leicht, denn die Angebote waren teilweise wirklich verlockend.
Letztes Jahr hätte ich einige davon wahrscheinlich noch angenommen, aber mit dem heutigen Wissen um den Klimanotstand konnte ich es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren für fünf Tage nach Jamaika zu fliegen, mal eben kurz an einer Bloggerreise nach Südkorea teilzunehmen, ein einziges Wochenende in Kanada zu verbringen oder mich zu einem Expeditionsschiff fliegen zu lassen, um innerhalb von zwei Tagen von Schottland nach Irland zu reisen und dann wieder zurück nach Deutschland zu fliegen.
Selbstverständlich träume auch ich davon, einmal im Leben beim Anblick der Polarlichter sprachlos in den Himmel zu starren, einmal die Nomadenvölker in der Steppe der Mongolei zu besuchen, einmal mit dem Jeep durch Namibia oder per Schiff in die Antarktis zu reisen, einmal an den Traumstränden der Philippinen zu liegen und einmal die bunten Moscheen im Iran zu bestaunen. Sicherlich werde ich in diesem Leben nicht mehr alle meine Reiseträume in Wirklichkeit verwandeln, aber das ist okay.
Ich möchte keine Bucket List mehr abhaken, keine Länder mehr zählen und niemanden mehr zum Vielfliegen animieren. Stattdessen möchte ich das Reisen wieder zu etwas Besonderem machen und dazu gehört es, vom Gaspedal zu gehen. Anstatt immer weiter, immer höher, immer krasser, immer mehr, möchte ich dazu anregen weniger, langsamer und bewusster unterwegs zu sein. Denn so wie meine Einstellung sich in den letzten Monaten verändert hat, so hat sich auch das Reisen für mich verändert.
Was wird sich nun ändern?
Für die Zukunft habe ich beschlossen, keine Kurztrips in Verbindung mit Flügen mehr zu promoten, keine Kreuzfahrten mehr zu unternehmen (auch wenn ich die Seefahrt aus tiefstem Herzen liebe), weiterhin hauptsächlich in Deutschland und unseren Nachbarländern unterwegs zu sein, andere europäische Länder wenn möglich per Zug zu bereisen, meine Fernreisen auf ein Minimum zu beschränken und insgesamt umweltfreundlicher zu reisen. Ich möchte überwiegend in Unterkünften übernachten, die schonend mit Ressourcen umgehen, möchte Content für nachhaltige Reiseveranstalter produzieren, faire Produkte und grüne Reiseziele vorstellen.
Meine Kooperationspartner werde ich in Zukunft noch gezielter auswählen, neue spannende Themen werden einen Platz auf meinem Reiseblog finden und natürlich zeige ich weiterhin, dass man nicht immer um die halbe Welt fliegen muss, sondern auch vor der Haustür richtig gute Abenteuer erleben kann.
Inspirieren statt missionieren
Bitte versteht mich nicht falsch. Ich möchte auf keinen Fall mit erhobenem Zeigefinger dastehen und ganz Gewiss niemanden unangenehm belehren, denn auch wenn ich mich schon seit einiger Zeit mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetze, kann ich selbst noch unendlich viel dazu lernen und verbessern.
Anstatt zu missionieren möchte ich mit gutem Beispiel voran gehen. Ich möchte Mut machen, möchte zeigen, dass ein nachhaltiger Lebensstil Spaß machen kann und dass Tourismus und Umweltschutz sehr wohl zusammen passen, denn nach wie vor bin ich davon überzeugt, dass wir uns die Welt anschauen und reisen sollten, jedoch bewusster, nachhaltiger und respektvoller gegenüber Menschen, Tieren und der Natur.
Alte Blogartikel sowie meine beiden Bücher bleiben natürlich bestehen, auch wenn ich sie heute sehr wahrscheinlich anders schreiben würde.
Das wünsche ich mir für die Zukunft
Für 2020 wünsche ich mir, mit verantwortungsbewussten Unternehmen arbeiten zu können, die meine Werte teilen. Mir ist bewusst, dass ich durch diese Entscheidung Kunden, Aufträge und vielleicht sogar Leser verlieren werde, die noch immer die Augen vor den Auswirkungen des Klimawandels verschließen. Aber vielleicht werde ich durch meinen Entschluss auch neue Leser gewinnen oder eine ganz neue Zielgruppe ansprechen. Es wird sich zeigen. Ich werde den Sprung jedenfalls wagen.
Ich möchte von ganzem Herzen dafür einstehen, was der Name globusliebe im wahrsten Sinne des Wortes aussagt und werde meine Leidenschaft fürs Reisen mit dem Bewusstsein für Nachhaltigkeit in Zukunft nicht nur privat, sondern auch beruflich verbinden. Ich freue mich riesig, wenn ihr mich auf diesem Weg begleitet und ich euch inspirieren kann mitzumachen.
Lasst uns gemeinsam an einer besseren Zukunft arbeiten.
Für uns und für unseren Planeten ♡
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