Welche Bedeutung hat Heimat für Dauerreisende?
Als Dauerreisende werde ich oft gefragt, wo meine Heimat ist. Viele wollen wissen, ob ich das Gefühl von Heimweh überhaupt kenne und ob es mir fehlt, ein richtiges Zuhause zu haben.
Zwar hatte ich über mehrere Jahre keinen festen Wohnsitz in Deutschland und war auch im letzten Jahr nur wenige Monate dort, aber heimatlos bin ich deshalb trotzdem nicht!
Die Frage, die sich mir stellt, ist doch viel mehr: Was bedeutet Heimat eigentlich? Und wo finden Dauerreisende, die ständig in der ganzen Welt unterwegs sind, eine Heimat mit der sie sich identifizieren können?
Welche Bedeutung hat Heimat für Dauerreisende?
Die meisten Menschen bezeichnen das Land, die Stadt oder die Gegend, in der sie geboren wurden oder aufgewachsen sind, als ihre Heimat. Heimat symbolisiert für sie einen festen Ort, an dem sie leben, arbeiten und sich zu Hause fühlen.
Schon die Gebrüder Grimm beschrieben Heimat als „das Land oder auch nur den Landstrich, in dem man geboren ist oder bleibenden Aufenthalt hat“.
Dieser Beschreibung nach ist die Kleinstadt Mayen, in der wunderschönen Eifel, die ich seit Kindheitstagen mein Zuhause nenne, meine Heimat. Millionen von Erinnerungen schießen mir durch den Kopf, wenn ich an sie denke: die liebevolle Umarmung meiner Mama, gemütliche Familienfrühstücke auf der Terrasse, der Geruch des Waldes, der unser Haus umgibt, die Wiesen und Felder, die im Frühjahr so schön blühen und das herrliche Kribbeln im Bauch, wenn ich nach sehr langer Zeit endlich wieder die kurvige Landstraße entlangfahre, die mich zu meinem Zuhause bringt…
Seit 2009 wohne ich nicht mehr an dem Ort, an dem ich aufgewachsen bin. Als ich meine Heimat damals verließ, war ich erstmal froh. Ich hatte das Bedürfnis sie abstreifen zu wollen, wie eine alte Haut, von der ich mich trennte, um in neuen Farben zu strahlen.
Ich wollte meine Wurzeln ausreißen und mich ins Abenteuer stürzen. Ich wollte neue Länder erkunden und die Welt bereisen. Und das tat ich auch. Mein Weg führte mich für zwei Jahre nach Holland und anschließend zum Studium nach Asien. Seitdem bin ich ständig unterwegs.
Einen festen Wohnsitz hatte ich in den vergangenen drei Jahren nicht. Heimatlos fühlte ich mich trotzdem nie, denn als Dauerreisende habe ich meine Heimat an verschiedenen Orten auf der Welt gefunden.
Es sind Orte, zu denen ich mich aus tiefstem Herzen verbunden fühle. Sie symbolisieren Heimat für mich, weil ich mich zu ihnen hingezogen fühle. Es sind Orte, an denen sich meine Seele wohlfühlt, an denen ich Kraft und Energie tanken kann, wo ich meine Sorgen vergesse, wo ich ich selbst sein kann, wo ich leben, lieben und lachen kann, wo ich frei bin und mich lebendig fühle.
Wenn ich meine Augen schließe und an diese Orte denke, kann ich sie riechen und fühlen. Es ist wie ein magisches Band, das uns verbindet, und ich weiß, dass ich immer wieder zurückkehren werde an diese Orte, die ich mit Heimat verbinde.
All diese Orte sind allerdings von physischer Bedeutung. Es sind Orte, die auf der Weltkarte zu finden sind. Aber ist Heimat denn überhaupt ein Ort? Geht es nicht um viel mehr als das?
Geht es nicht um Erinnerungen, um Augenblicke, um Wärme und um Vertrauen? Geht es vielleicht auch um Gewohnheit und Alltag? Oder um Gefühle? Was bedeutet der Begriff Heimat überhaupt?
In meinen Augen ist Heimat mehr. Mehr als die Heimatstadt, mehr als das Heimatland. Ich denke, dass man die Antwort weder im Atlas noch in einem Pass finden kann.
Es kann zum Beispiel eine Sprache oder eine Religion sein, die ein Mensch als Heimat empfindet. Ebenso die Familie oder die Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Somit bedeutet Heimat auch Sicherheit, Vertrauen, Geborgenheit.
All diese Eigenschaften lassen sich in unserer globalisierten Welt nicht mehr auf den Wohnort begrenzen. Heimat ist also weitaus mehr als nur ein Ort!
Ich finde Heimat überall dort, wo meine Herzmenschen sind. Die Menschen, bei denen ich mich geborgen, sicher und geliebt fühle, bei denen ich mich fallenlassen kann, mit denen ich lachen und weinen, feiern und trauern kann. Mit denen ich über alles reden, aber auch schweigen kann. Die Menschen, denen ich blind vertraue. Die Menschen, die ich über alles liebe. Das ist meine Heimat und die ist, frei nach dem Motto „Home is where your heart is“ ganz und gar ortsunabhängig.
Vielleicht ist Heimat sowieso nur ein imaginärer Ort. Ein Ort, den man weder bestimmen noch greifen kann. Ein Ort ohne Zeit, ohne Stress, ohne Ärger, ohne Krieg, Wut, Hass und Neid.
Vielleicht ist Heimat eine Wunschvorstellung, in der alles Gute vereint ist und es nichts Negatives gibt?!
Und vielleicht findet jeder Mensch, vor allem jeder Dauerreisende, seine wahre Heimat nur bei sich selbst, egal wo auf der Welt er sich gerade befindet?!
Was bedeutet Heimat für dich? Ich freue mich auf deinen Kommentar!
Alicja
Danke für Deinen wundervollen Beitrag zum Thema und für neue Gedankenanstöße. Am Ende scheint Heimat für Dich auch mehr ein Gefühl als ein Ort zu sein – das finde ich wunderbar denn auch wenn ich einen physikalischen Ort habe den ich als Heimat bezeichne – am Ende ist es das Gefühl das den Unterschied macht.
Kathi
Hallo liebe Julia,
ein sehr interessanter Artikel! Ich habe darüber auch schon oft nachgedacht, vor allem in letzter Zeit. Ich habe an mir beobachtet, dass ich mich zwar überall auf der Welt wohl und geborgen fühlen kann, aber kein Ort fühlt sich jemals so sehr nach Heimat an wie Wien – die Stadt in der ich aufgewachsen bin. Bei mir liegt es an meinen Lieblingsmenschen, die alle hier versammelt sind, aber auch an der Sprache und an Erinnerungen, die ich an diese Stadt habe sowie nicht zuletzt an der Vertrautheit, die Wien mir vermittelt.
Liebe Grüße,
Kathi
Yasemin
Hey Julia, wir haben anscheinend sehr ähnliche Gedanken zum Thema. Besonders an deinem Beitrag gefällt mir das Bild des „Bandes“, das alles verbindet.
LG, Yasemin.
Christoph Buß
Hi Julia. Interessanter Artikel über innere und äußere Heimat und über das Zuhause-Gefühl. Meine Band – The J Conspiracy – hat schon vor längerer ein MusikFoto-Projekt mit genau dem gleichen Schwerpunkt ins Leben gerufen.
Liebe Grüße aus der heute sch…verregneten Nordeifel.
Christoph
julialassner
Hallo Christoph,
vielen Dank fürs Teilen eures Projektes.
Es sind einige großartige Bilder dabei. Weiter so!
Viele Grüße,
Julia
jenni
Liebe Julia,
sehr schön geschrieben…Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl!
Auch ich lebe seit nun 2 Jahren an keinem festen Ort mehr….
Heimweh habe ich nicht, dafür entdecke ich viel zu viele schöne Orte.
Aber diese gefühl irgendwann, in ferner Zukunft mal wieder eine feste Homebase zu haben das keimt doch auf…aber wo?das bleibt die Spannende Frage!
Alles Liebe wünscht Jenni
Julia
Hey Jenni,
danke für deinen Kommentar. Das Gefühl, was du da beschreibst, kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich werde mir jetzt eine feste Homebase in Berlin einrichten, zumindest für den Sommer. Was danach kommt, mal sehen? ;)
Alles Liebe, Julia