Ausgebrannt: Ich bin dann mal offline!
Ich starre auf den Bildschirm. Dort, wo schon vorgestern ein fertiger Artikel stehen sollte, gähnt mich eine weiße Leere an. Die Hände liegen tippbereit auf der Tastatur, doch sie finden keinen Anfang. Minuten vergehen. Ich zwinge mich dazu, mich auf die Arbeit zu konzentrieren, doch wieder und wieder schweifen meine Gedanken ab.
Der Cursor wandert zum Postfach: 73 unbeantwortete Emails, Spam schon aussortiert. Ich logge mich aus, scrolle lustlos durch den Instagram Feed und kehre zurück zum weißen Blatt. Immer noch kein Geistesblitz.
Im rechten Augenwinkel sehe ich die handgeschriebene To Do Liste unter einem Stapel Bücher hervorblitzen. Sie ist mittlerweile zwei DIN-A4 Seiten lang und lässt sich nur schwer verdrängen. Immer wenn ich einen Blick darauf werfe, werde ich nervös. Der Kopf beginnt zu sausen, die Ohren zu fiepen.
Es gibt so viel zu erledigen, dass ich nicht weiß, wo ich anfangen soll. Nicht mal dieser blöde Text gelingt mir. Dabei möchte ich doch so viele Gedanken aufs digitale Papier bringen. Schlussendlich lösche ich die wenigen Zeilen, die ich getippt habe und schreibe am Ende gar nichts. Kein einziges Wort.
Ausgebrannt
In den vergangenen zwei Jahren habe ich extrem Gas gegeben. Ich habe nicht nur ein Kleinunternehmen mit allem was dazu gehört geleitet, sondern auch unzählige Projekte gestemmt, massig Foto- und Videomaterial für Kunden produziert, Interviews gegeben, Messen besucht sowie Texte für Magazine und Agenturen geschrieben. Nebenbei habe ich globusliebe zu einem der erfolgreichsten Reiseblogs Deutschlands gemacht, Bücher geschrieben und mich heillos überarbeitet. So wirklich realisiert habe ich das alles bisher noch nicht.
In diesen Monaten hatte ich kaum mehr Zeit für Freunde und Familie, am wenigsten aber für mich selbst. Ich schraubte mein Arbeitspensum höher und höher, mein Privatleben blieb dabei völlig auf der Strecke. Dabei fühlte sich das alles nicht mal wie lästige Arbeit an, im Gegenteil, ich hatte großen Spaß bei jeder einzelnen Kampagne, bei jeder Reise, bei jedem Text, bei jedem Shooting. Mich zu beschweren wäre nicht angebracht gewesen, denn wer kann schon von sich behaupten, einen solchen Traumjob ausüben zu dürfen?
Von außen lebe ich das Leben, das sich viele Menschen wünschen. Ich jette um die Welt, liege an Traumstränden, übernachte in Traumhotels und habe meinen Lebenspartner oder meine beste Freundin immer an meiner Seite. Scrollt man durch meinen Instagram Account, werden einige vermutlich neidisch. Ich werde zu den schönsten Zielen der Welt eingeladen – oder noch krasser – sogar für die Reise bezahlt.
Doch was hinter den Kulissen passiert, das weiß niemand.
Fluch und Segen
„Wie war dein Urlaub? Ich hoffe du hast dich gut erholt!“ schreiben mir Kunden, wenn ich von einer Recherchereise zurückkehre. Wie wütend und traurig mich diese Worte jedes Mal machen, das sage ich nicht, dabei würde ich am liebsten laut schreien „Ich war gottverdammt noch mal nicht im Urlaub, sondern auf der Arbeit!“ Dass meine Arbeit immer mit mir reist und ich selbst in der Karibik genauso viele Stunden am Tag arbeite, wie jeder andere Berufstätige es an seinem festen Arbeitsplatz tut, das sieht niemand.
Wie auch? Auf meinen Kanälen teile ich schließlich nur die schönsten Bilder und Stories, Momentaufnahmen, in denen ich am Strand liege, Cocktails schlürfe, den Dschungel erkunde oder in einem Hotelpool plansche. Gewiss genieße ich all diese wundervollen Momente und bin unendlich dankbar, dass ich sie erleben darf, aber es sind eben nur Momente, oft Sekunden, in denen ein Foto entsteht, bevor ich aufspringe und zur nächsten Location hetze.
Der Zeitplan auf Kooperationsreisen ist extrem straff, denn schließlich möchte der Kunde am Ende einen gut recherchierten Beitrag mit wertvollen Tipps auf dem Blog sehen. Von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang rocke ich eine Destination ab, um möglichst langlebige Inhalte zu produzieren und einen Ort mit all seinen Facetten darzustellen. Es genügt mir nicht, zwei bis drei Tipps zu sammeln und sie lieblos in einen Beitrag zu klatschen. Ich möchte mehr. Ich möchte qualitativ hochwertige Fotos zu bestem Tageslicht produzieren, möchte in jedem Restaurant, das ich empfehle, selbst gewesen sein, jeden Ort mit allen Sinnen erlebt haben und nicht nur Wikipediawissen auf globusliebe teilen. Das ist mein eigener Anspruch, an mich, an meine Texte, meine Fotos.
Auf Reisen schreibe ich deshalb meistens nachts, bearbeite Fotos, lade Instagram Stories hoch, beantworte Emails, schicke Angebote und Rechnungen raus, bevor nach wenigen Stunden Schlaf wieder der Wecker klingelt und zum nächsten Sonnenaufgang ruft.
Hinter den Kulissen
Seit fünf Jahren hatte ich keinen Urlaub mehr und damit meine ich keine Reise, sondern einen richtigen Urlaub, bei dem ich mal so wirklich abschalten kann. Einen Urlaub ohne Termindruck, ohne E-mails, ohne Social Media und ohne am Ende irgendetwas abliefern zu müssen.
Zu Hause klingelt der Wecker jeden Morgen um 6.30 Uhr. Ausgeschlafen habe ich schon seit einer Ewigkeit nicht mehr, auch nicht samstags und sonntags. Von meiner schönen Morgenroutine, die ich mir einst aufgebaut hatte, ganz zu schweigen. Anstatt Yogaübungen zu machen, ein Buch zu lesen oder ordentlich zu frühstücken, sitze ich spätestens um 7 Uhr mit zerzauselten Haaren und Kaffee am Schreibtisch.
Ich arbeite meist sieben Tage die Woche, obwohl ich mir seit Monaten vergeblich vornehme, dieses Pensum auf fünf oder wenigstens sechs Tage zu reduzieren. Im Moment häufen sich die Tage, an denen ich mich am liebsten unter der Bettdecke verkriechen und die Stopptaste drücken möchte, doch dazu bleibt keine Zeit, denn der Bus fährt ab und ich habe das Gefühl, ihm permanent hinterher zu rennen.
Ich arbeite in einer extrem schnelllebigen Branche, in der man immer up-to-date sein, immer neuen Content liefern muss – am besten täglich und natürlich für den Endkonsumenten immer gratis. Was niemand sieht, ist der enorme Zeitdruck, die immense Arbeit hinter jedem einzelnen Foto, die unzähligen Arbeitsstunden hinter jedem Blogartikel und all die anderen Aufgaben, die zur Selbstständigkeit dazu gehören, aber völlig im Verborgenen passieren.
Unter diesem Druck und der Tatsache, dass ich mein Kleinunternehmen schon seit langem nicht mehr alleine gestemmt kriege, leidet irgendwann die Kreativität. Das Stresslevel steigt ins Unermessliche, die Energie ist am Tiefpunkt und zwangsläufig führt all das, wie in jedem anderen Beruf auch, auf Dauer zum absoluten Erschöpfungszustand, bei dem auch der Körper früher oder später rebelliert.
Ein hektisches Flimmern in der Herzgegend, ein ständiges Fiepen in den Ohren, ein Sausen im Kopf, Magenschmerzen und kein Freiraum zum Durchatmen. Symptome wie diese sind seit einigen Wochen meine ständigen Begleiter und trotzdem mache ich immer weiter.
Die Wahrheit
Bitte versteht mich nicht falsch, ich möchte mich mit diesem Beitrag nicht bei euch beschweren, denn ich habe mir dieses Leben und diesen Job genauso ausgesucht. Ich habe meine größten Leidenschaften zum Beruf gemacht und ich liebe meine Arbeit heiß und innig. Ich möchte auch nicht auf die Tränendrüse drücken, Mitleid erzeugen oder euch erzählen, wie schlimm mein Leben als Vollzeitbloggerin doch ist.
Was ich möchte, ist lediglich die Wahrheit aussprechen und euch nicht immer nur an den rosaroten Momenten, sondern auch mal an den weniger schönen Dingen teilhaben lassen, denn auch die gehören dazu. Ihr sollt mehr sehen, als nur die Fassade, die es bei Instagram gibt.
Vor allem aber möchte ich vielen von euch die Augen öffnen, denn professionelle Bloggerin, Fotografin und Buchautorin zu sein, bedeutet nicht nur schöne Reisefotos zu machen und damit Geld zu verdienen. Es gehört so viel mehr dazu, das meist im stillen Kämmerlein passiert.
Sicher lässt sich mit einem Reiseblog, der mehrere hunderttausend Seitenzugriffe im Monat hat, gutes Geld verdienen. Doch der Preis, den man dafür zahlt, ist extrem hoch und man muss sich gut überlegen, ob man bereit und in der Lage dazu ist, diesen Preis auf Dauer zu zahlen. Vor allem aber muss man sich, wie in jedem anderen Job auch, selbst schützen, sich Pausen gönnen, Auszeiten nehmen, handyfreie Tage einlegen, Job und Privatleben so gut wie möglich trennen.
Schafft man das nicht, geht man auf lange Sicht irgendwann zugrunde, verliert sich selbst und am Ende merkt man, dass man sich mit dem großen Traum von einem freien, selbstbestimmten Leben, auf dem eine Selbstständigkeit meistens aufgebaut ist, selbst Fesseln angelegt hat und das Ganze dann doch nicht mehr so frei und selbstbestimmt ist.
Notbremse
Um die Notbremse zu ziehen, bevor es zu spät ist, möchte ich ab sofort einiges ändern.
Ich möchte meine Leichtigkeit und Kreativität zurück, möchte wieder mit Freude und Herzblut schreiben, Geschichten erzählen, die euch berühren und motivieren und vor allem möchte ich wieder bewusster leben, eine gesunde Balance zwischen Arbeit und Privatleben finden.
Aus diesem Grund werde ich mich für eine Weile zurückziehen. Ich werde Zeit mit mir selbst verbringen, mich neu sammeln und sortieren. Zum ersten Mal seit den fünf Jahren meiner Selbstständigkeit nehme ich mir eine Auszeit und werde komplett offline sein, nicht mal meine E-mails lesen und stattdessen etwas ganz für mich alleine tun.
Sehr lange habe ich hin und her überlegt, ob ich mir diese Auszeit überhaupt erlauben kann, vor allem jetzt, wo doch mein neues Buch in wenigen Tagen erscheint, wo so viele To Do’s auf meiner Liste stehen und wo so viel um mich herum passiert, dass es eigentlich gerade überhaupt nicht passt. Aber wenn ich ehrlich bin, passt es eigentlich nie. Mein Postfach quillt immer über, es gibt immer wichtige Telefonate, es gibt immer Anfragen, Abgabetermine, Shootings und Aufträge und immer muss ich irgendwie erreichbar und online sein.
Doch der Punkt ist erreicht, an dem meine Reserven aufgebraucht sind, meine Kreativität am Tiefpunkt angekommen ist und ich endlich begriffen habe, dass meine geistige und körperliche Gesundheit vorgeht.
Ob nach meiner Auszeit niemand mehr da sein wird, der meine Texte liest und meine Bilder klickt? Wenn ich ehrlich bin, ich weiß es nicht. Es ist mir auch egal, denn die Welt wird sich weiterdrehen und diejenigen, die mir nur folgen oder nur mit mir arbeiten, weil ich täglich abliefere, die können gerne fern bleiben.
Die Leser, Follower und Kooperationspartner, die mich und meine Arbeit schätzen, werden auch meine Ehrlichkeit schätzen und vermutlich Verständnis dafür haben, dass jeder mal eine Auszeit braucht. Ich bin schließlich auch nur ein Mensch.
Wohin mich meine Reise während dieser Auszeit führen wird, das bleibt noch ein Geheimnis. Fest steht, es wird anders werden als alles, was ich bisher gemacht habe. Es wird vermutlich ungewohnt, herausfordernd, verändernd. Vor dem, was ich mir vorgenommen habe, habe ich sogar ein wenig Angst, gleichzeitig bin ich mega aufgeregt und freue mich auf das Abenteuer – ganz ohne Blog und Social Media.
Zurückkehren werde ich hoffentlich gesund und ausgeruht, mit frischer Energie und ganz vielen Ideen, um euch neue kreative Inhalte liefern zu können.
Und jetzt fahre ich endlich den Computer runter, schalte das Handy in den Flugmodus und bin dann mal offline.
Genießt den Frühling, ihr Lieben!
Bis bald,
Eure Julia
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