Tropensturm Pabuk wütet in Thailand und wir sitzen auf Koh Samui fest
Das neue Jahr begann für uns wie ein wahrgewordener Traum. Wir lagen an den Paradiesstränden von Koh Mak, planschten im badewannenwarmen Wasser und abends beobachteten wir, wie die Sonne als organe-roter Feuerball im Meer versank. Zu dem Zeitpunkt ahnten wir noch nicht, dass die nächsten Tage Angst und Verzweiflung bringen und wir während des Tropensturmes Pabuk auf Koh Samui festsitzen würden.
Am nächsten Morgen verließen wir die kleine Insel im Golf von Thailand. Der Himmel war grau, die Luft tropisch warm und schmierig, das Meer rau. Das Speedboot, das uns zurück zum Festland brachte, wurde von den Wellen ordentlich hin und her geschaukelt.
Mit einer Propellermaschine flog Bangkok Airways uns nach Koh Samui. Von dort wollten wir per Fähre auf die Nachbarinsel Koh Phangan reisen. Kurz nach der Landung teilte man uns jedoch mit, dass heute kein Boot mehr ablegen würde und auch für den nächsten Tag keines zu buchen sei. Wir wunderten uns, hinterfragten das Ganze aber nicht weiter und entschieden spontan, eine Nacht auf Koh Samui zu bleiben, um am nächsten Morgen weiterzusehen.
Über Booking.com buchten wir ein Hotel in Flughafen- und Fährnähe. An der Rezeption sagte man uns, dass das Hotel ausgebucht sei und unsere Buchung eigentlich gar nicht mehr hätte durchgehen dürfen. Zu unserer Überraschung erhielten wir ein kostenfreies Upgrade und wurden in der VIP Villa am Strand untergebracht. Die riesige Panoramaglasscheibe des Bungalows war nur zwei Meter vom Saum der Wellen entfernt. Eigentlich ein Grund zur Freude.
Wir fragten eine Hotelangestellte, warum am nächsten Morgen keine Boote nach Koh Phangan übersetzen würden. Sie lachte herzlich und sagte: „Tomorrow very big storm. Most dangerous in 50 years“.
Wir informierten uns im Internet und stießen auf beunruhigende Nachrichten: Ein Tropensturm namens Pabuk steuerte vom Südchinesischen Meer geradewegs auf den Süden Thailands zu. Die thailändische Provinz Nakhon Si Thammarat wurde bereits evakuiert. Einige Medien berichteten sogar, dass Pabuk ähnlich zerstörerisch werden könnte, wie Tropensturm Harriot, der 1962 fast tausend Menschen im Land tötete.
Das Auswärtige Amt hatte wegen zu erwartendem Starkregen, Flutwellen und heftigen Winden eine Reisewarnung für Koh Samui herausgegeben. Auf dem Wetterradar Ventusky konnten wir genau beobachten, wie sich Pabuk mit einer Geschwindigkeit von 65 km/h auf uns zu bewegte.
Wir fragten uns, warum Bangkok Airways überhaupt noch Touristen auf die Insel fliegt, wenn Warnungen des Katastrophenschutzes vorliegen, warum beim Check-in am Flughafen nicht darauf hingewiesen wird, dass es auf Koh Samui gefährlich werden könnte, warum Hotels ihre Zimmer, die am nächsten am Wasser liegen, weiterhin an Gäste vermieten und warum kein Mensch über den Sturm spricht? Hat denn in Thailand niemand von den Folgen des Tsunamis in 2004 gelernt?
Wir beratschlagten uns, was zu tun ist und waren uns einig, dass wir eine andere Bleibe suchen mussten. Eine sicheres Haus, keine Holzhütte mit Wellblechdach und vor allem weit genug vom Meer entfernt. Wie sich herausstellte, eine schwierige Aufgabe, denn auf Koh Samui liegt so gut wie jede Unterkunft am Meer, denn damit lockt man schließlich Touristen an.
Auf einer Online-Karte entdeckten wir eine einzige Unterkunft auf einem Berg, drei Kilometer vom Strand entfernt. Per Taxi ließen wir uns hinbringen. Die Rezeption hatte bereits geschlossen, der Nachtwächter schickte uns weg. Es war bereits stockdunkel. Die Straßen waren ungewöhnlich leer. Es war ruhig auf Koh Samui und die fetten Wolken am Himmel wirkten bedrohlich.
In der Zwischenzeit erfuhren wir, dass der Flug- und Fährverkehr für die kommenden drei Tage eingestellt wurde. Es gab keine Möglichkeit Koh Samui zu verlassen. Wir saßen auf der Insel fest.
Zurück im Strandbungalow buchten wir die Unterkunft auf dem Berg für den nächsten Morgen und beschlossen, die Nacht so gut es ging durchzustehen. Laut Radar sollte Pabuk erst am frühen Morgen über Koh Samui wüten. Unsere Sachen standen fertig gepackt an der Glasschiebetür. Wir lagen angezogen im Bett, ständig bereit zum Aufbruch, und machten die ganze Nacht kein Auge zu. Mein Herz pochte wie wild, mein Magen drehte sich. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was mir in diesen unendlichen Stunden alles durch den Kopf ging.
Sobald es hell wurde, standen wir auf der Straße. Es war immer noch alles ruhig. Zu ruhig. Am Frühstückstisch entdeckten wir die Bangkok Times, auf deren Titelseite ein Artikel über den Tropensturm Pabuk abgedruckt war: „Mit 80 km/h bewegt sich Pubuk aktuell von Malaysia auf den Golf von Thailand zu und wird heute mit voller Wucht auf Koh Samui, Koh Phangan und Surat Thani treffen. Alle Menschen sollen sich in Sicherheit bringen, auf keinen Fall im Meer baden und kein Boot besteigen,“ so hieß es.
Dass auf den Straßen immer noch nichts passierte, wunderte uns. Die Thais bereiteten sich nicht auf den Sturm vor. Es wurden nicht einmal Liegestühle, Blumentöpfe oder Wäscheständer weggeräumt, die im Ernstfall umherfliegen und Menschen verletzten oder andere Schäden anrichten könnten.
Wir fuhren mit Sack und Pack zu unserer neuen Unterkunft, einer richtigen Wohnung, die aus Stein gebaut und mit Badezimmer und Küche ausgestattet war. In unserem Viertel lebten außer Einheimischen nur Dauerbesucher, die länger auf der Insel blieben.
Wir luden sämtliche Akkus auf und statteten uns mit einer Notfallversorgung an Trinkwasser und Lebensmitteln für drei Tage aus. Weil die Regale in den kleinen Supermärkten bereits leergeräumt waren, gingen wir zu einem großen Shoppingcenter und kauften Baguette und Nudeln, Tomaten, Bananenkuchen, Chips, Nüsse und Getränke.
Von nun an blieben wir in unserer Wohnung und warteten. Das Auge des Sturms kam immer näher und doch passierte rein gar nichts. Mittlerweile berichteten auch die deutschen Medien von Pabuk und veröffentlichten allerhand falsche Infos. Es wurde von einer Massenflucht berichtet und dass zehntausende Menschen aufgrund des Sturmes die Insel Koh Phangan verlassen hätten.
Dass zwei Tage zuvor eine riesige Full Moon Party am Strand von Haad Rin stattgefunden hatte und nach der Party logischerweise immer tausende von Menschen abreisen und auch dass die Hauptferienzeit über die Weihnachts- und Silvestertage rum war und deshalb viele Urlauber den Heimweg antraten, davon schrieb niemand.
Das Warten und die Ungewissheit, wie schlimm es werden würde, zermürbten uns. Im Minutentakt überprüften wir den Wetterradar, den Newsfeed, die Meldungen und beobachteten den Himmel. Am Abend saßen wir auf der kleinen überdachten Terrasse vor unserer Wohnung, aßen Nudeln, tranken Bier und versuchten uns nicht allzu verrückt zu machen.
Die erste Nacht in der Wohnung verlief ruhig. Wir schliefen ein paar Stunden, es stürmte und regnete nur wenig. Am nächsten Morgen waren wir alarmbereit, doch es passiert wieder nichts. Pabuk wechselte ständig seine Richtung. Sein Eintreffen auf Koh Samui wurde von den Meteorologen immer weiter nach hinten verschoben.
Wieder vergingen etliche Stunden, in den wir warteten, hofften und bangten. Während die deutschen Medien berichteten: „Urlauber auf Koh Samui können aufatmen. Der Sturm ist vorbei“, spitzte sich die Situation vor Ort zu. Der Himmel verdunkelte sich schlagartig, der Wind wurde zunehmend stärker, der Regen heftiger. Über den Bergen breitete sich eine schwarze Nebelwand aus. Der Strom fiel aus, das Wasser vor unserer Tür stieg an.
Laut Radar hatte Pabuk zu diesem Zeitpunkt eine Geschwindigkeit von 115 km/h erreicht und war nur wenige Kilometer von Koh Samui entfernt.
Plötzlich stoppte der Wind. Als hätte jemand einen Schalter umgelegt, riss der Himmel auf. Stille. Nicht einmal der Regen trommelte weiter auf den Asphalt. Das Auge des Sturms hatte sich abgewandt und zog haarscharf an Koh Samui vorbei. Es wehte nicht einmal mehr ein kleines Lüftchen. Es war, als hielt die Welt den Atem an.
Wir hingegen atmeten endlich wieder auf. Eine zentnerschwere Last fiel mir vom Herzen und ich konnte in der dritten Nacht endlich wieder richtig schlafen.
Während der nächsten zwölf Stunden prasselten und prasseln immer noch unglaubliche Wassermassen auf Koh Samui nieder. Sämtliche Straßen stehen unter Wasser, trotz Schutzwällen aus Sandsäcken sind Shops überschwemmt, die Stromversorgung ist weiterhin unterbrochen.
Im Endeffekt zog Pabuk mit heftigen Böen und starkem Regen über Koh Samui und weitere Teile Thailands hinweg. Im Gegensatz zu den schrecklichen Vorhersagen der Meteorologen hielten sich die Schäden jedoch in Grenzen. Der Sturm entwurzelte Bäume, deckte Dächer ab und durch die extremen Wassermassen, die er hinter sich herzog, sind viele Orte noch immer überflutet.
Während ich diese Zeilen tippe, scheinen die ersten Sonnenstrahlen durch die Palmblätter vor unserem Fenster. Obwohl wir eigentlich gar nicht vorhatten Koh Samui zu besuchen, werden wir die nächsten Tage erst einmal auf der Insel bleiben und abwarten, wie sich die Situation entwickelt. Sobald Normalität eingekehrt ist und die Fähren wieder übers Meer fahren, werden wir weiterreisen.
Was nach diesem aufwühlenden Erlebnis in unseren Herzen bleibt, sind Demut und Dankbarkeit. Obwohl die meisten Reisenden viel zu spät informiert wurden, hatten wir das große Glück, dass wir uns auf den Sturm vorbereiten und uns früh genug in Sicherheit bringen konnten. Pabuk hat uns lange nicht so unerwartet getroffen, wie die vielen Menschen, die 2004 durch den Tsunami in den Tod gerissen wurden.
Wir sind jedenfalls sehr froh, dass wir richtig reagiert, uns eine sichere Unterkunft gesucht und uns auf den Ernstfall vorbereitet haben.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei all den lieben Menschen da draußen bedanken, die in den letzten Tagen an uns gedacht haben, die eine Kerze für uns angezündet und uns mitfühlende Nachrichten geschickt haben. Es geht uns gut.
Tatiana
Hey Julia,
was für eine Geschichte! Und ein Glück, dass ihr alles gut überstanden habt! Ich hatte auch mit dem Gedanken gespielt, nach Thailand zu fliegen, aber da warnte mich schon eine Freundin, die hier in Deutschland besser Nachrichten geschaut hatte als ich. Dass Informationen in Thailand so dünn ausfallen, kann ich mir gut vorstellen. Ich habe mal eine Nacht im Tropensturm in Koh Phangan verbracht, für mich Apokalypse, für die Thais nix besonderes. Gut, dass ihr so besonnen wart und euch gut vorbereitet habt! So einen kühlen Kopf zu bewahren, ist bei der Angst nicht einfach. Erholt euch gut von den letzten Tagen und kommt sicher heim!
Alles Gute,
Tatiana
Julia
Hallo Tatiana,
ich danke dir für deine lieben Worte. Wir sind unendlich froh, dass Pabuk uns verschont hat. Die Thais sagen Koh Samui habe einen sehr guten Gott, der dafür gesorgt hat, dass der Sturm kurz vor der Insel abgedreht ist. Ein schöner Gedanke finde ich ;)
Viele liebe Grüße, Julia
Claudia
Hallo Julia, mein Sohn war ja bis letzten Sommer auf Koh Tao und in den beiden Jahren, die er dort verbrachte, waren im Dezember und Jänner stets solche Unwetter. Ich hatte gestern mit ihm telefoniert, er ist ja mittlerweile im indischen Ozean, und er meinte, da würde vor allem in der westlichen Welt zu viel Aufsehen gemacht. Jedenfalls schön, dass es dir gut geht und nichts ernstes passiert ist. Ich hoffe wir sehen uns irgendwo wieder einmal. Liebste Grüße ausnahmsweise von zu Hause, Claudia
Julia
Liebe Claudia,
vielen Dank für deinen Kommentar. Ich war auch schon mehrfach im Januar im Golf von Thailand (Koh Samui, Koh Phangan und Koh Tao) und habe nie solche Unwetter erlebt. Und auch während der Monsunzeit hat es zwar öfter mal heftige Regengüsse gegeben, aber niemals einen solchen Tropensturm, wie er anfangs von den Meteorologen angekündigt war. Zum Glück kamen wir ja noch einmal mit einem blauen Auge davon ;)
Alles Liebe, Julia
Step
Hallo Julia,
na da hat das neue Jahr bei dir ja wirklich mit mehr Spannung begonnen als man es brauchen kann. Ich war 2004 knapp nach dem Tsunami auf Phuket, nicht privat sondern dienstlich, hatten damals einen Flieger voller verletzter Passagiere bzw Passagiere, die ohne Partnerin oder Partner zurückflogen zu betreuen – ich glaube, es war der härteste Flugdienst meines Lebens, da uns gefühlt jeder seine Geschichte, wie er die Minuten erlebt hatte, anvertraute. Die Athmosphäre auf Phuket selbst war damals gespenstisch – der Jahreswechsel in völliger Stille, nur ein paar Lampions mit brennenden Kerzen stiegen in den Himmel. Es war eine Grenzerfahrung, ein durchaus prägender Moment im Leben, und an den hat mich deine Geschichte jetzt gerade wieder erinnert. Hab weiterhin eine schöne Reise, ich beginne mein Jahr 2019 auch in wenigen Tagen mit einer großen Tour durch das unbekannte Westafrika – ganz neues Terrain für mich und wohl auch für Globetrotter keine gewöhnliche Destination! Happy 2019 nochmal!
Julia
Hallo Step,
vielen Dank für deinen Kommentar und dass du deine Geschichte mit uns teilst. Mir fehlen gerade die Worte. Was du berichtest, muss unendlich grausam gewesen sein. Dass du diese Erlebnisse nie mehr vergisst, kann ich sehr gut nachvollziehen.
Der Tropensturm Pabuk ist natürlich in keinster Weise mit dem Tsunami von 2004 vergleichbar, zum Glück! Im Gegensatz zu den Menschen auf Phuket, hatten wir ausreichend Zeit, um uns vorzubereiten und in Sicherheit zu bringen. Wir sind glücklich und dankbar, dass im Endeffekt alles so glimpflich verlaufen ist.
Ich wünsche dir ein glückliches neues Jahr und eine wundervolle Zeit in Westafrika!
Alles Liebe, Julia
Claudia Veu Casovvic
Glad you two mastered this adventure , nature is powerful , unpredictable and needs to be handled with great respect . Your instincts show us , that you will survive any disaster .
Again , job well done , Life is beautiful . Love from Claudia and Jerry ,Denver , Colorado